Datenleak zu Handelsvertrag TTIP erzwingt klare Positionen
Geleakte Papiere zeigen, wie die USA ihre Position beim TTIP-Abkommen durchboxen wollen. Das hat die EU bisher verschwiegen.
Enthüllungen über bisher geheime Verhandlungspapiere zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA erhöhen den Druck auf die Verhandler beider Seiten. Die Papiere zeigen, dass die USA Exporterleichterungen für europäische Autobauer an besseren Marktzugang für USLebensmittel in Europa koppeln. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström bekräftigte am Montag, es werde kein Absenken von Standards geben. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel pocht unverändert auf einen raschen Erfolg der Verhandlungen zwischen der EU und den USA.
WIEN. Seit Juni 2013 verhandeln mit der EU und den USA die beiden größten Wirtschaftsräume der Welt über ein gemeinsames Freihandelsabkommen. Einer der zahlreichen Kritikpunkte gegen die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) war die Geheimhaltung, in der die Verhandlungen stattfinden – auf Wunsch der US-Seite. Die am Montag von der Umweltschutzorganisation Greenpeace veröffentlichten Unterlagen aus 13 Verhandlungskapiteln sind Wasser auf die Mühlen der TTIP-Skeptiker, die sich dadurch in ihren Sorgen und Befürchtungen bestärkt sehen. Erstmals geht es dabei nicht um Mutmaßungen, sondern um tatsächliche Positionen – die freilich noch längst nicht beschlossene Sache sind. 1. Der große Deal: US-Food gegen europäische Autos Aus den Abschriften geheimer Verhandlungsdokumente geht hervor, dass die US-Seite Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie an gleichzeitig verstärkten Marktzugang für US-Lebensmittel koppelt, andernfalls würden die Erleichterungen blockiert. Das sehen insbesondere Landwirte, Umweltschützer und der Lebensmittelhandel kritisch, weil Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in den USA zu einem wesentlich höheren Grad industrialisiert sind, als es in Europa der Fall ist. 2. Vorsorgeprinzip versus Beweislastumkehr Ein Beispiel dafür ist der gänzlich unterschiedliche Zugang zu möglicherweise gesundheitsschädigenden Substanzen oder Verfahren. Gilt in Europa grundsätzlich das sogenannte Vorsorgeprinzip – man versucht, einen möglichen Schadensfall tunlichst gar nicht erst eintreten zu lassen –, so sind in den USA erst einmal handfeste Beweise erforderlich, dass etwa gentechnisch veränderte Lebensmittel wirklich eine konkrete negative Wirkung haben.
So sind in Europa bei Kosmetika aktuell 1328 chemische Substanzen als gesundheitsgefährdend verboten, in den USA sind es lediglich elf, führt Greenpeace an. 3. Keine Annäherung beim Investitionsschutz Vor allem die US-Seite drängte auf einen umfassenden Investitionsschutz in TTIP. Im Zuge eines geplanten Streitbeilegungsverfahrens zwischen Unternehmen und Staaten – „Investor-State Dispute Settlement“, ISDS – könnten Unternehmen Staaten bei übernationalen privaten Schiedsgerichten verklagen, wenn diese sie in ihren Rechten und Gewinnerwartungen beschneiden. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström wollte das umstrittene ISDS zu einem öffentlichen Investitionsgerichtshof („Investment Court System“, ICS) reformieren. Bisher haben sich die USA dazu nicht geäußert. Laut „Süddeutscher Zeitung“zeigen die durch „TTIP Leaks“bekannt gewordenen Unterlagen, dass die USA nicht auf die Reformvorschläge eingehen, sondern einen neuen Vorschlag machen. 4. „Rammbock“regulatorische Zusammenarbeit Aus den Papieren geht laut Greenpeace hervor, die USA pochten darauf, dass mit TTIP zur Beseitigung von Handelshemmnissen auch bestehende Regularien nachträglich außer Kraft gesetzt werden könnten. Greenpeace-Österreich-Geschäftsführer Alexander Egit vergleicht das mit einem „mächtigen Rammbock, der auch den fest verankerten Schutz für Umwelt und Verbraucher wieder aus dem Weg räumen kann“. 5. EU-Kommission spricht von „falschem Eindruck“Laut EU-Kommission würden die geleakten Dokumente einen „falschen Eindruck“vom Stand der Verhandlungen vermitteln. Bei den Papieren handle es sich um einen konsolidierten Text, bei dem die Vorschläge beider Seiten schlicht zusammengefügt wurden. Das sei noch nicht das Verhandlungsergebnis. Außerdem, hieß es aus EUKreisen, sei die Behauptung schlichtweg falsch, dass die EUKommission das Vorsorgeprinzip in den Verhandlungen opfern würde. Auf die Beibehaltung des Prinzips werde verwiesen – in einem anderen Kapitel der Verhandlungen, das noch nicht veröffentlicht sei. Besonders sensible Bereiche des Abkommens, wie die Zölle auf Agrarprodukte, seien zudem noch gar nicht ausverhandelt. 6. Wie sehr gefährdet das Datenleck das Vertrauen? Welche Auswirkungen die Veröffentlichung der Dokumente auf die Verhandlungen haben wird, ist laut EU-Kommission noch unklar. Die USA hätten noch nicht darauf reagiert, das Ganze sei allerdings ein „Vertrauensproblem“. Erfreut werden die USA jedenfalls nicht sein. Während die EU ihre Verhandlungsposition zum Teil im Internet veröffentlicht, lehnten die USA das gänzlich ab. Selbst Abgeordnete des EU-Parlaments und der nationalen Parlamente dürfen daher die Dokumente nur in eigenen Leseräumen einsehen. Wie sie den Weg an die Öffentlichkeit gefunden haben, war am Montag noch nicht klar. 7. Uneins über die zu ziehenden Schlussfolgerungen Kritiker verlangen jetzt ein Ende der Verhandlungen. Befürworter verweisen darauf, es handle sich um Verhandlungspositionen, aber noch um keine Ergebnisse.