Griss will nicht in den Rechnungshof
Irmgard Griss als neue Rechnungshofpräsidentin? Die ÖVP richtete ein konkretes Angebot an die Präsidentschaftskandidatin. Diese reagierte aber eher ablehnend.
Die ÖVP schlägt Irmgard Griss als neue Präsidentin des Rechnungshofs vor. Wie die SN erfuhren, hat es bereits ein Gespräch zwischen der ÖVP und der früheren Präsidentschaftskandidatin gegeben. Griss selbst wollte am Montag auf SN-Anfrage keine Stellungnahme dazu abgeben. Nur so viel: Sie strebe kein öffentliches Amt an. Der Posten des Rechnungshofpräsidenten wird Ende Juni frei, wenn die Amtszeit von Josef Moser, einem FPÖ-Mann, endet.
Das seit gut einer Woche kursierende Gerücht, die am vorvergangenen Sonntag geschlagene unabhängige Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss könnte nächste Rechnungshofpräsidentin werden, hat einen sehr realen Hintergrund. Wie die SN in Erfahrung brachten, hat Griss ein konkretes Angebot der ÖVP in der Tasche, sie als unabhängige Kandidatin für die RH-Spitze vorzuschlagen. Das Angebot war ihr bereits Montag vergangener Woche – also am Tag nach dem ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl – von ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka unterbreitet worden. Dieser hatte sich zu diesem Zweck persönlich in die Wahlkampfzentrale Griss’ begeben.
Griss reagierte verhalten auf das Angebot der ÖVP. Ihr gehe es nicht um ein öffentliches Amt, ließ sie die SN wissen. Im Übrigen wolle sie Spekulationen nicht kommentieren. Im Ö1-Abendjournal sagte Griss, sie strebe das Amt der Rechnungshof-Präsidentin nicht an.
Sollte die einstige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs tatsächlich von einer Parlamentsmehrheit zur RH-Präsidentin bestellt werden, hätte das für die ÖVP einen zweifachen Vorteil. Zum einen könnte sie sich damit rühmen, eine hochqualifizierte und unabhängige Persönlichkeit jenseits der Parteibuchpolitik für dieses wichtige Amt gefunden zu haben. Zum anderen wäre die Gefahr gebannt, dass Griss bei den kommenden Wahlen mit einer eigenen Liste antritt und der ÖVP Stimmen wegnimmt: Als RH-Präsidentin müsste sie derlei Ambitionen aufgeben. Politisches Potenzial für einen Einstieg in die Politik wäre bei Griss zweifellos vorhanden. Bei der Präsidentschaftswahl erhielt sie rund 800.000 Stimmen – deutlich mehr als die Parteikandidaten Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol.
Die Frage der Rechnungshofpräsidentschaft wird in den kommenden Wochen aktuell. Amtsinhaber Josef Moser, ein Freiheitlicher, wird per Jahresmitte nach zwölf Jahren ausscheiden. In den vergangenen Jahrzehnten war es meist üblich, das Amt des RH-Chefs der größten Oppositionspartei zu überlassen. Nur von 1992 bis 2004 amtierte mit Franz Fiedler ein ÖVP-Mann. Eine Bestellung Irmgard Griss’ würde die Tradition fortsetzen, dass der RHPräsident keiner der Regierungsparteien angehört.
Ob Griss auf das ÖVP-Angebot eingehen wird, steht nicht fest. Doch klar ist, dass vom Wahlkampf tiefe Wunden geblieben sind und Griss nicht gut zu sprechen ist auf die Volkspartei. Denn diese hatte sie in den Wochen vor dem Wahlkampf teils sehr hart attackiert – wohl in der zutreffenden Annahme, dass die pensionierte Höchstrichterin eine Verlockung für bürgerliche und ÖVP-affine Wählerschichten darstellte.
Daher wurden ihre hohe Richterpension und ihre angebliche Unerfahrenheit von der ÖVP gnadenlos ausgeschlachtet. Der Umstand, dass Griss vertrauliche Gesprächsprotokolle aus der von ihr geleiteten Hypo-Untersuchungskommission vernichten ließ, wurde von der ÖVP zu einer skandalträchtigen „Aktenvernichtung“aufgebauscht. ÖVPPräsidentschaftskandidat Khol behauptete in der „Elefantenrunde“vor dem Wahltag, dass Griss jedes Jahr 90.000 Flüchtlinge ins Land lassen wollte – ein Vorwurf, auf den Griss einigermaßen fassungslos reagierte.
Eine intakte Gesprächsbasis hatte Griss in all den Monaten zu Klubchef Lopatka, der nun auch als Emissär in Sachen Rechnungshof bei ihr vorsprach.