Ein Aktionist macht Appetit auf Kunst
Das steirische Stift Admont thematisiert Fressen und Gefressen-Werden. Ein Hamburger verkocht Waschtrommeln zu Brathendln.
Die (Star-)Köche werden auch immer skurriler. Der aktionistische Performer Götz Bury, bekannt etwa durch sein Gebäck aus Sägespänen, lädt jetzt im obersteirischen Stift Admont zu einem „Galadiner“. Aus ausrangierten Haushaltsgeräten und Küchenutensilien hat der gebürtige Hamburger („Gut leben ohne nix!“) ein tolldreistes Speisezimmer gestaltet.
Altes Besteck, weggeworfene Küchenspülen und Waschmaschinentrommeln wurden von dem 56-Jährigen unter anderem in Brathendln, Kerzenleuchter, Kelche, Bilderrahmen und Hirschgeweihe verwandelt. Die Installation ist zugleich prunkvoll und trashig, humorvoll und kritisch. „Seine Objekte sind Zitate auf die liturgischen Geräte unserer Schatzkammer, zugleich thematisiert Bury das immer aktueller werdende Thema Recycling in unserer schnelllebigen Wegwerfgesellschaft“, sagt Michael Braunsteiner, Kurator des Stiftmuseums.
Das obersteirische Benediktinerstift hat für die heurige Ausstellungssaison das Motto „Zum Fressen gern“ausgerufen. Essen und Trinken seien für alle Lebewesen etwas Essenzielles, Speis und Trank hätten auch rituelle Funktionen, betont Braunsteiner, der auch auf die benediktinische Gastfreundschaft verweist: „Alle Gäste, die kommen, sollen wie Christus aufgenommen werden, denn er wird sagen: Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen“, heißt es im 53. Kapitel der Benediktsregel. Braunsteiners Ausstellung nennt sich „Aspekte des FrESSENS“und vereint jüngere künstlerische Positionen aus dem eigenen Sammlungsumfeld. Da führt etwa Wendelin Pressl mit seiner Arbeit „Panem et Circenses“das alte Sprichwort „Mit dem Essen spielt man nicht“ad absurdum: Die von ihm gestalteten Spaghetti-Nudeln können auch als Mikadostäbchen gedeutet werden. Großformatige Stillleben von Künstlern wie Alois Mosbacher oder Hubert Schmalix führen eine jahrhundertelange Tradition weiter, gemahnen an die Vergänglichkeit. Alles Organische ist vom Zerfall bedroht.
Humor haben die Admonter Mönche schon vor Jahren bewiesen, als sie sich als Models für „One Minute Sculptures“von Erwin Wurm zur Verfügung stellten. In der 2002 entstandenen Serie „Brothers and Sisters“präsentieren Geistliche einen Apfel im Mund, drücken einen Brotlaib mit der Stirn an die Wand oder scheinen einen Weißbrotwecken als Tasche zu verwenden. Den Maler Alfred Klinkan (1950– 1994) lernt man mit drei Bildern, die als Übertragungen der dörflichen Idyllen des flämischen Malers Adriaen Brouwer gelten, schätzen: Rohe Männerherrlichkeit in einem poppigen Kolorit und einer Heftigkeit, wie sie für die „Neue Malerei“der 1980er-Jahre typisch war.
Farblich verwandt ist da das Bild „Der Menschenfresser in der Küche vor dem Spiegel“von Johannes Deutsch, dem es um die Sichtbarmachung von Aggression, Macht und Selbstzerstörung geht. Spannend ist auch der von Hannes Priesch gestaltete Themenraum, der sich dem Verhältnis von Nahrung und Ökologie widmet. An der Wand lehnen Protesttafeln mit Beschriftungen wie „Unsere tägliche Wurstsemmel gib uns heute“oder „Ohne mei Schweinernes warat i a halberta Mensch!“. Und der Semriacher Singkreis bringt dem Publikum litaneiartig zu Ohren, was einem alles durch den Magen gehen kann: unter anderem auch Paranoia und Anziehung.
Während Hannes Priesch sich dafür engagiert, dass steirische Wirte mehr vegane Speisen auf ihren Speisekarten aufnehmen, malt ein Künstler der jüngeren Generation, Christian Eisenberger, Bilder aus Kuhmist, und er hält via Fotografie fest, wie zahlreiche Ameisen im Wald sich an seinen aus Zuckerwürfeln aufgeschichteten „Twin Towers“delektieren und diese mit der Zeit wohl zum Einsturz bringen werden.
Fressen und Gefressen-Werden bildet nicht nur eine inhaltliche Klammer der Schau, sondern leitet auch zu einer Sonderausstellung über. Bis vor Kurzem waren in der weltberühmten Admonter Stiftsbibliothek gefräßige Bücherwürmer am Werk. Deren Gier nach Papier und Knochenleim bescherte einen beträchtlichen Schaden: Rund zehn Prozent der 70.000 Bücher waren befallen. Eine Begasung mit Sulfuryldifluorid vernichtete die Schädlinge, derzeit müssen Bücher wie Regale aber immer noch von Staub, Schmutz, Bohrmehl und den Überresten der Schädlinge gereinigt werden. In der barocken Säulenhalle des Stiftes wird nun über die Arbeit der Schädlingsbekämpfung informiert.
„Wurm frisst Buch“: Unter diesem Titel haben die Berliner Künstler Sebastian Köpcke und Volker Weinhold zeitgenössische Stillleben inszeniert. Die „Sammlungsfotografen“agieren mit technischer Perfektion, die Bilder sind kulinarisch, aber auch geschmäcklerisch.