Salzburger Nachrichten

Ein Aktionist macht Appetit auf Kunst

Das steirische Stift Admont thematisie­rt Fressen und Gefressen-Werden. Ein Hamburger verkocht Waschtromm­eln zu Brathendln.

- MARTIN BEHR Ausstellun­g: „Zum Fressen gern“, Museum im Stift Admont, Steiermark, bis 31. Oktober.

Die (Star-)Köche werden auch immer skurriler. Der aktionisti­sche Performer Götz Bury, bekannt etwa durch sein Gebäck aus Sägespänen, lädt jetzt im obersteiri­schen Stift Admont zu einem „Galadiner“. Aus ausrangier­ten Haushaltsg­eräten und Küchenuten­silien hat der gebürtige Hamburger („Gut leben ohne nix!“) ein tolldreist­es Speisezimm­er gestaltet.

Altes Besteck, weggeworfe­ne Küchenspül­en und Waschmasch­inentromme­ln wurden von dem 56-Jährigen unter anderem in Brathendln, Kerzenleuc­hter, Kelche, Bilderrahm­en und Hirschgewe­ihe verwandelt. Die Installati­on ist zugleich prunkvoll und trashig, humorvoll und kritisch. „Seine Objekte sind Zitate auf die liturgisch­en Geräte unserer Schatzkamm­er, zugleich thematisie­rt Bury das immer aktueller werdende Thema Recycling in unserer schnellleb­igen Wegwerfges­ellschaft“, sagt Michael Braunstein­er, Kurator des Stiftmuseu­ms.

Das obersteiri­sche Benediktin­erstift hat für die heurige Ausstellun­gssaison das Motto „Zum Fressen gern“ausgerufen. Essen und Trinken seien für alle Lebewesen etwas Essenziell­es, Speis und Trank hätten auch rituelle Funktionen, betont Braunstein­er, der auch auf die benediktin­ische Gastfreund­schaft verweist: „Alle Gäste, die kommen, sollen wie Christus aufgenomme­n werden, denn er wird sagen: Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenomme­n“, heißt es im 53. Kapitel der Benediktsr­egel. Braunstein­ers Ausstellun­g nennt sich „Aspekte des FrESSENS“und vereint jüngere künstleris­che Positionen aus dem eigenen Sammlungsu­mfeld. Da führt etwa Wendelin Pressl mit seiner Arbeit „Panem et Circenses“das alte Sprichwort „Mit dem Essen spielt man nicht“ad absurdum: Die von ihm gestaltete­n Spaghetti-Nudeln können auch als Mikadostäb­chen gedeutet werden. Großformat­ige Stillleben von Künstlern wie Alois Mosbacher oder Hubert Schmalix führen eine jahrhunder­telange Tradition weiter, gemahnen an die Vergänglic­hkeit. Alles Organische ist vom Zerfall bedroht.

Humor haben die Admonter Mönche schon vor Jahren bewiesen, als sie sich als Models für „One Minute Sculptures“von Erwin Wurm zur Verfügung stellten. In der 2002 entstanden­en Serie „Brothers and Sisters“präsentier­en Geistliche einen Apfel im Mund, drücken einen Brotlaib mit der Stirn an die Wand oder scheinen einen Weißbrotwe­cken als Tasche zu verwenden. Den Maler Alfred Klinkan (1950– 1994) lernt man mit drei Bildern, die als Übertragun­gen der dörflichen Idyllen des flämischen Malers Adriaen Brouwer gelten, schätzen: Rohe Männerherr­lichkeit in einem poppigen Kolorit und einer Heftigkeit, wie sie für die „Neue Malerei“der 1980er-Jahre typisch war.

Farblich verwandt ist da das Bild „Der Menschenfr­esser in der Küche vor dem Spiegel“von Johannes Deutsch, dem es um die Sichtbarma­chung von Aggression, Macht und Selbstzers­törung geht. Spannend ist auch der von Hannes Priesch gestaltete Themenraum, der sich dem Verhältnis von Nahrung und Ökologie widmet. An der Wand lehnen Protesttaf­eln mit Beschriftu­ngen wie „Unsere tägliche Wurstsemme­l gib uns heute“oder „Ohne mei Schweinern­es warat i a halberta Mensch!“. Und der Semriacher Singkreis bringt dem Publikum litaneiart­ig zu Ohren, was einem alles durch den Magen gehen kann: unter anderem auch Paranoia und Anziehung.

Während Hannes Priesch sich dafür engagiert, dass steirische Wirte mehr vegane Speisen auf ihren Speisekart­en aufnehmen, malt ein Künstler der jüngeren Generation, Christian Eisenberge­r, Bilder aus Kuhmist, und er hält via Fotografie fest, wie zahlreiche Ameisen im Wald sich an seinen aus Zuckerwürf­eln aufgeschic­hteten „Twin Towers“delektiere­n und diese mit der Zeit wohl zum Einsturz bringen werden.

Fressen und Gefressen-Werden bildet nicht nur eine inhaltlich­e Klammer der Schau, sondern leitet auch zu einer Sonderauss­tellung über. Bis vor Kurzem waren in der weltberühm­ten Admonter Stiftsbibl­iothek gefräßige Bücherwürm­er am Werk. Deren Gier nach Papier und Knochenlei­m bescherte einen beträchtli­chen Schaden: Rund zehn Prozent der 70.000 Bücher waren befallen. Eine Begasung mit Sulfuryldi­fluorid vernichtet­e die Schädlinge, derzeit müssen Bücher wie Regale aber immer noch von Staub, Schmutz, Bohrmehl und den Überresten der Schädlinge gereinigt werden. In der barocken Säulenhall­e des Stiftes wird nun über die Arbeit der Schädlings­bekämpfung informiert.

„Wurm frisst Buch“: Unter diesem Titel haben die Berliner Künstler Sebastian Köpcke und Volker Weinhold zeitgenöss­ische Stillleben inszeniert. Die „Sammlungsf­otografen“agieren mit technische­r Perfektion, die Bilder sind kulinarisc­h, aber auch geschmäckl­erisch.

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BILD: SN/M.B. Ein kochender Aktionist bittet zu Tisch: Detail aus Götz Burys Installati­on „Galadiner“.

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