Salzburger Nachrichten

Warum deine Religion die deine ist

Wie könnte ein Mensch begründen, warum er genau seiner und nicht einer anderen Religion angehört?

- JOSEF.BRUCKMOSER@SALZBURG.COM ZEITZEICHE­N

Warum ist meine Religion die meine und deine Religion die deine? Im Grunde ist die Antwort ähnlich, als wenn man jemanden fragen wollte, warum er gerade diese Partnerin oder sie gerade diesen Partner gefunden und erwählt hat. Da spielen, neben der Liebe, viele Zufälligke­iten des Lebens mit. Wer will, kann auch sagen, das sei Fügung gewesen. In jedem Fall sind der Gründe viele, und viele davon sind rational nicht erklärbar.

Vermutlich ist das eine grundlegen­de Schwierigk­eit in der interrelig­iösen Verständig­ung. Man kann das Für und Wider der einen oder anderen Religion gegeneinan­der abwiegen. Dafür wird man viele gute und manchmal auch schlechte Gründe finden. Aber die letzte Begründung, warum der eine dieser und die andere jener Religion angehört, entzieht sich solchen Überlegung­en. Könnten alle das akzeptiere­n, dass sie in ihre Religion in der Regel ohne ihr Zutun hineingebo­ren wurden, wäre eine gemeinsame Ausgangsba­sis für gegenseiti­gen Respekt gegeben.

Das ist aber offenbar leichter gesagt als getan. Ein Salzburger Theologiep­rofessor hat seinen Studentinn­en und Studenten daher den Rat gegeben, jeden Tag um den Heiligen Geist zu beten. Das muss man nicht eng sehen. Man kann es so übersetzen, dass es jeden Tag notwendig sei, über die Quellen nachzudenk­en, aus denen ich lebe. Woher kommt mein Leben und wo führt es hin? Bin ich auf dem Weg, den ich für mich als sinnvoll erkennen kann?

Profan gesagt: Es hat viel für sich, immer wieder einmal auf den Kompass zu schauen und vor allem dankbar dafür zu sein, was schon möglich geworden ist. Solche „Geistesbli­tze“helfen, vor lauter Bäumen den Wald nicht zu übersehen, und führen zur Einsicht, dass wir, wenn wir jammern, auf einem hohen Niveau jammern.

So ist es, hätte der Salzburger Theologe gesagt, wenn ihr euch nicht jeden Tag um diese „Geistesbli­tze“kümmert, wenn ihr euch nicht jeden Tag einmal selbst Einhalt gebietet, geht ihr „geistlos“am Leben vorbei.

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Josef Bruckmoser

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