Salzburger Nachrichten

Popkultur mit Rechtsruck

Der Verfassung­sschutz warnt vor der Gruppe „Neue Rechte“. Rechtsextr­eme, die nicht mit Springerst­iefeln, aber dafür im Internet auftreten. Und mit den Ängsten der Bürger punkten.

- ANJA KRÖLL

Die Zahlen sind rasch erzählt: Rechtsextr­emistisch motivierte Tathandlun­gen sind im Vorjahr in Österreich um 54,1 Prozent angestiege­n (2014: 750; 2015: 1156).

Für die Hintergrün­de braucht es länger. Erzählt Peter Gridling, Direktor des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT), am Rande der Präsentati­on des Verfassung­sschutzber­ichts am Montag in Wien darüber, legt sich seine Stirn in Falten. Es sind Geschichte­n über Facebook-Postings, in denen zur Tötung von Kriegsflüc­htlingen durch „Vergasen“bzw. zur „Hasenjagd“aufgerufen wird. Oder im Netz verbreitet­e Meinungen wie: „Diesen Zug sollte die ÖBB zur Verfügung stellen! Abfahrt Richtung Auschwitz!“

„Wir haben es mit einem dramatisch­en Anstieg solcher Vorfälle zu tun“, erklärt der BVT-Direktor. In Zahlen ausgedrück­t bedeutet dies 1691 Anzeigen. Besonders im Bereich des NS-Verbotsges­etzes wurde mit 953 Anzeigen im Jahr 2015 „ein absoluter Höchststan­d“erreicht.

Noch eine Falte taucht auf Gridlings Stirn auf, wenn die Rede auf die Gruppe „Neue Rechte“kommt. Sie versuchen, mithilfe von Internetau­ftritten und schlagzeil­enträchtig­en Aktionen Aufmerksam­keit zu erzeugen. Ähnlich wie Dschihadis­ten wollen sie für Jugendlich­e und junge Erwachsene zu einer Art Popkultur werden. Soll heißen: auf den ersten Blick cool, in der öffentlich­en Wahrnehmun­g rassismusf­rei und nicht verhetzend. Auf den zweiten Blick: ganz klar rechts. Im Verfassung­sschutzber­icht heißt es dazu: „Ihr Ziel ist es, fremdenfei­ndliche und Ängste generieren­de Themen in der ,Mitte der Gesellscha­ft‘ zu verbreiten.“

Begriffe wie Rassen werden dabei durch Kulturen ersetzt, offensicht­lich rechtsextr­eme Erkennungs­zeichen wie Glatze, Springerst­iefel oder Tätowierun­gen penibel vermieden. „Man will das Bild vermitteln, dass man eine Bürgerbewe­gung sei und sich nur der Sorgen der Bürger annehme“, erklärt auch Konrad Kogler, Generaldir­ektor für die öffentlich­e Sicherheit.

Als ein Beispiel nennt der Verfassung­sschutz hierfür die Identitäre­n. Jene Gruppe, die in den vergangene­n Wochen zunächst mit dem Sturm der Bühne des Audimax während der Vorführung des Stücks „Die Schutzbefo­hlenen“von Elfriede Jelinek und dann mit der Enthüllung eines Transparen­ts mit der Aufschrift „Heuchler“am Dach des Burgtheate­rs für Eklats sorgte.

Wie sich der Anstieg an rechtsextr­em motivierte­n Taten erklären lässt, liegt für Kogler auf der Hand: „Die Flüchtling­skrise 2015 hat uns vor große Herausford­erungen gestellt. Es gibt Ängste in der Bevölkerun­g und diese Ängste wissen diese Gruppen zu nutzen.“

Auffallend: Beschränkt­en sich die asylfeindl­ichen Handlungen in Österreich in der ersten Jahreshälf­te 2015 nahezu ausschließ­lich auf verbale Angriffe, zeigte sich gegen Jahresende der Trend zu konkreten Angriffen auf Asylbewerb­erunterkün­fte und Asylbewerb­er. So wurden im vergangene­n Jahr durch rassistisc­h motivierte Taten 14 Personen verletzt (2014: drei).

Was die Polizei nun plant? „Prävention und bei Verstößen konsequent einschreit­en“, sagt Gridling. Ohne eine Miene zu verziehen.

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BILD: SN/APA/PFARRHOFER Die Identitäre­n sorgten für mehrere rechtsextr­eme Aktionen.

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