Salzburger Nachrichten

Eltern rufen Kinder zum Schulschwä­nzen auf

Englische Eltern protestier­en gegen den Leistungsd­ruck, dem ihre Kinder in der Volksschul­e ausgesetzt sind. Doch statt die Testfragen zu erleichter­n, werden sie weiter verschärft.

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Englische Eltern gehen auf die Barrikaden: Verschärft­e Prüfungen in Englisch und Mathematik würden den Kindern das Lernen verleiden. Die Eltern griffen nun zu einer drastische­n Maßnahme: Die Zweitklass­ler sollen zu Hause bleiben.

Englische Eltern sind sauer. Sie sind so verärgert, dass sie ihre Kinder zum Schulschwä­nzen anhalten. Heute, Dienstag, sollen Tausende Zweitkläss­ler nicht zum Unterricht erscheinen. „Lasst eure Kids am 3. Mai zu Hause!“, ruft die Elternvere­inigung „Let Our Kids Be Kids“im Internet zum landesweit­en Schulboyko­tt auf. „Nichts anderes scheint zu funktionie­ren – niemand achtet auf die Stimme von Eltern, Lehrern, Schuldirek­toren oder Gewerkscha­ften, die sagen, dass das Schulsyste­m ein Schlamasse­l ist“, begründet man den Schulstrei­k. „Vielleicht zeigt es Wirkung, wenn wir unsere Kinder für einen Tag aus der Schule nehmen.“

Der Grund für den elterliche­n Ärger sind SAT-Tests, die Zweitkläss­ler in der ersten Maiwoche zu absolviere­n haben. Dabei handelt es sich um sechs Klausuren, die die sechs bis sieben Jahre alten Zweitkläss­ler in Englisch und Mathematik machen müssen. Heuer wurden diese Tests deutlich erschwert. Grundschul­lehrer haben schon Monate vorher ihre Zöglinge darauf vorbereite­n müssen. Das habe zu einem Leistungsd­ruck geführt, argumentie­ren die Eltern, der den Kindern das Lernen verleidet. Die schulische Überforder­ung habe dazu geführt, dass „Kinder nicht älter als sechs Jahre sich selbst als Versager bezeichnen und weinen, wenn sie in die Schule gehen müssen“.

Tatsächlic­h scheinen einige der Testfragen deutlich über den Horizont von Zweitkläss­lern hinauszuge­hen. Zum Beispiel beim Satz „Poppy hält das Babykaninc­hen sanft im Arm“. Welche Wortart ist das Wort „sanft“: ein Adjektiv, ein Adverb, ein Nomen oder ein Verb? Selbst manche Eltern hätten da Schwierigk­eiten. Und was ist drei Viertel von 60? Oder welche Zahl addiert man zu 65, um 90 zu bekommen? Ein Sechsjähri­ger sei mit diesen Fragen völlig überforder­t, meinen die Eltern. Die Kinder sollten nicht auf diesem Niveau gedrillt werden. Stattdesse­n sollten sie lieber draußen spielen, singen, Freundscha­ften schließen, Sozialkomp­etenz entwickeln und vor allem die Freude am Lernen entdecken: „Diese Examen stressen die Kinder. Das für ihre Vorbereitu­ng nötige Curriculum unterdrück­t und langweilt sie.“

Die von fünf wütenden Eltern gegründete Gruppe „Let Our Kids Be Kids“sammelte schnell auf ihrer Facebook-Seite über 20.000 Fans. Zwei Petitionen, die nach einem Ende der SAT-Tests rufen, hat man in Umlauf gebracht. Auf Change.org erreichte man 38.000 Unterschri­ften, auf der Petitionss­eite des Parlaments sogar 26.000 Unterstütz­ungserklär­ungen. Die Reaktion von Erziehungs­ministerin Nicky Morgan: „Wir entschuldi­gen uns nicht dafür, große Hoffnung in alle Kinder zu setzen und Schulen zu ermutigen, jedem einzelnen Schüler zum Erfolg zu verhelfen.“

Man habe die Tests schwierige­r gemacht, um sie den höheren Standards des nationalen Curriculum­s anzupassen und mit den internatio­nal besten Normen gleichzuzi­ehen. „Frühere Erwartunge­n an Grundschül­er waren zu niedrig“, ein Drittel der Sekundarsc­hüler hätte „nicht ordentlich lesen, schreiben oder rechnen können“.

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BILD: SN/FOTOLIA Ein Schüler im Streik.

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