Hofer oder Van der Bellen, nicht FPÖ oder Grüne
Wer immer Präsident wird, weder FPÖ noch Grüne dürfen jubeln. Gewählt wurden Persönlichkeiten, nicht Parteien.
Der Wahlkrimi dauert an. Vor Auszählung der Wahlkarten heute, Montag, können wir nicht mit letzter Sicherheit sagen, wer der neue Bundespräsident Österreichs sein wird.
Mit diesem knappen Rennen haben wohl die wenigsten gerechnet. Wie auch immer es ausgeht, Österreich ist weder ins linke noch ins rechte Lager abgedriftet. Die Wählerinnen und Wähler haben ihre Stimmen nicht der FPÖ und auch nicht den Grünen gegeben. Sie haben Norbert Hofer oder Alexander Van der Bellen gewählt. Das ist ein feiner, aber bedeutender Unterschied. Es trifft weder das vor allem vom Ausland gezeichnete Bild vom Fackel tragenden Alpenvolk zu noch die Vorstellung von der linken Gutmenschen-Republik. Auch das Bild von der Spaltung des Landes ist schief. Bei zwei Kandidaten muss es zwangsweise zu einer Aufteilung der Stimmen kommen. Beide kommen übrigens aus der Oppositionsbewegung.
Wer auch immer am Ende die Nase vorn haben wird, es wird kein Sieg für die unterstützenden Parteien sein. Norbert Hofer wurde gewählt, weil er vielen Menschen sympathisch erscheint, weil er eine klare Sprache spricht, weil er jünger ist und den Eindruck erweckt, er verstünde die Sorgen der Menschen besonders gut. Alexander Van der Bellen hingegen flogen die Herzen jener Menschen zu, die im weise und erfahren wirkenden Wirtschaftsprofessor den Garanten für eine gute Vertretung im Ausland, vor allem in Europa, sehen und weniger tagespolitische Wickel mit der neuen Regierung befürchten. Er durfte aber auch Leihstimmen von vielen auf sich vereinen, die nicht für ihn, sondern gegen Hofer gewählt haben. Für eingefleischte Rote und Schwarze ist der ehemalige Chef der Grünen ein rotes Tuch. Doch angesichts der realistischen Möglichkeit, dass Norbert Hofer der neue Präsident wird, sind viele über ihren eigenen Schatten gesprungen.
Nur Zaungäste sind bei diesem Schauspiel die Regierungsparteien. Hätten sie von Beginn an auf Irmgard Griss gesetzt und auf ihre eigenen Kandidaten verzichtet, dann würde es heute wohl anders aussehen.
SPÖ und ÖVP müssen ab sofort zeigen, was sie in ihrer neuen Formation können. Das heißt: Steuern und Bürokratie runter, Forschungsförderung hinauf, Registrierkassen-Schikanen weg, Arbeitsplätze schaffen. Nur dann können sie als Koalition überleben. Da ist es völlig unerheblich, ob der neue Präsident Alexander Van der Bellen oder Norbert Hofer heißt.