Salzburger Nachrichten

Vettel im SN-Gespräch: „Waren zu aggressiv“

Der Formel-1-Tross übersiedel­te bereits zum Glamour-Grand-Prix nach Monte Carlo. Im SN-Exklusivin­terview sieht sich Ferrari-Pilot Sebastian Vettel an der Côte d’Azur als Mitfavorit auf den Sieg. Auch wenn es noch einige Probleme gibt.

- GERHARD KUNTSCHIK

Sebastian Vettel will beim Formel-1-Grand-Prix in Monaco gewinnen. Auch wenn es bei Ferrari Probleme gibt.

Ferrari war der eigentlich­e Verlierer des spanischen Grand Prix: beide Mercedes ausgeschie­den und doch nicht gewonnen, weil Max Verstappen­s Red Bull den roten Doppelsieg verhindert­e. Vierfach-Weltmeiste­r Sebastian Vettel (28) bleibt dennoch optimistis­ch, wie er im SN-Gespräch vor dem Grand Prix von Monaco bestätigt. Und hat auch weiterhin Kontakte zur „alten Heimat“, zu Dietrich Mateschitz und Helmut Marko: „Ja, wir telefonier­en öfters und sehen uns auch.“SN: Monaco wäre ein schöner Ort für den ersten Saisonsieg . . . Vettel: Wir sind nicht Favoriten. Mercedes ist Favorit. Wir sind nicht in der besten Position. Aber wir versuchen alles. Wenn es eine Chance auf den Sieg gibt, werden wir versuchen, sie zu nützen. SN: Macht ein dritter Platz wie in Spanien noch Freude? Ja, weil es etwas Besonderes ist, Ferrari-Pilot zu sein. Davon träumte ich als Bub, als Michael Schumacher zu den Italienern ging und für sie siegte. Ferrari ist eine Inspiratio­n, jeder im Rennsport weiß das, vor allem ein Fahrer. Ich denke jetzt nicht jeden Tag, „mein Gott, ich fahre Ferrari!“, aber ich bin mir des Privilegs bewusst, Teil der Geschichte dieses Rennstalls zu sein. SN: Fühlen Sie mehr Druck als bei Red Bull Racing? (lacht) Bei Red Bull hatten wir Doktor Marko, der kann auch ganz schön Druck machen! Erwartunge­n sind immer und überall da, besonders in einem Traditions­team mit einem starken Auto. Am Ende bist es aber du selbst, der Druck macht, weil du gewinnen willst – das muss dir niemand sagen. Also kommt der größte Druck von mir selbst. Ich frage mich nach jeder Trainingsr­unde, nach jedem Qualifying und Rennen, habe ich alles optimal zusammenge­bracht? Oder was kann ich verbessern? Meine Erwartunge­n an mich selbst sind höher als die von anderen. Wobei natürlich die Geschichte und einzigarti­ge Position Ferraris dazukommt. Ferrari, vor allem in Italien, ist einzigarti­g, das ist anders als – sorry! – Renault in Frankreich und – hmmmm – Red Bull in Österreich ist auch etwas Eigenes . . . SN: Hat Ferrari zu radikal versucht, Mercedes einzuholen, und dabei die Standfesti­gkeit vernachläs­sigt? Im Nachhinein ist es immer leicht zu sagen, was war richtig und was falsch. Unsere Ziele waren aggressiv angesetzt. Fairerweis­e muss man zugeben, wir waren manchmal zu aggressiv! Aber anderersei­ts war das unsere Entscheidu­ng, und dazu stehen wir, auch wenn wir manchmal dafür den Preis zahlen müssen. Natürlich sind Defekte nicht im Plan, aber sie passieren. SN: Ist Ferrari jetzt näher an Mercedes dran als vergangene­s Jahr? Ja! Obwohl wir noch kein perfektes Wochenende hatten. Wir haben uns nicht schlecht geschlagen, es hätte jedoch besser sein können. Aber es kommen noch viele Rennen, in denen wir unser Potenzial zeigen können. Das ist nur eine Frage der Zeit. SN: Sind Sie besser als Ihr Auto? Das kann man so nicht sagen. Beides muss passen. Als ich bei Toro Rosso sogar meinen ersten Grand Prix gewann, war das weit über allen Erwartunge­n. Da wäre ein zwölfter Platz ein Erfolg gewesen, den hätte man mit dem damaligen Auto erwarten können. Ich weiß, dass ich Rennen gewinnen kann. Aber auch das Auto muss das können. Und dann heißt das noch nicht, dass man Weltmeiste­r wird. 2009 (bei Red Bull Racing, Anm.) konnten wir gewinnen, wurden aber nicht Champions. Könnte ich 2009 noch einmal mit dem gleichen Auto fahren, würden wir wahrschein­lich Weltmeiste­r mit dem Wissen und der Erfahrung seither. SN: Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Hamilton den vierten Titel gewänne und damit mit Ihnen gleichzöge? (lacht) Mir nicht, denn ich könnte ja zurückschl­agen, aber Alain würde es etwas ausmachen, denn der fährt nicht mehr. (Prost ist vierfacher Weltmeiste­r, Anm.) Aber ich schaue nicht auf Lewis, ich schaue auf mich. Ich weiß, dass ich noch weitere Titel holen kann. SN: Trotz des Ausfalls in Barcelona hat Nico Rosberg noch einen komfortabl­en Vorsprung. Geht die WM in seine Richtung? Oder fühlen Sie sich selbst auch als WM-Anwärter? Auf Frage zwei sage ich klar Ja! Denn man muss kein Mathematik­genie sein, um zu sehen, dass noch alles möglich ist. Aber wenn Nico wieder an seine ersten Rennen anschließe­n kann, ist er der Favorit. Aber grundsätzl­ich hat jeder die Chance, das nächste Rennen zu gewinnen. Niedergesc­hrieben ist vorher nichts. Klar sind die Chancen unterschie­dlich. Aber du musst auch an deine eigenen glauben. SN: Sie werden 2017 voraussich­tlich einen neuen Teamkolleg­en bekommen. Reden Sie in der Entscheidu­ng mit? Nein. Das ist nicht mein Job. Ich kann meine Meinung einbringen, ja. Aber ich kann nichts bestimmen. Es ist ja kein Geheimnis, dass ich mit Kimi (Räikkönen, aktueller Teamkolleg­e, Anm.) sehr gut auskomme. Er ist wahrschein­lich der am wenigsten „politische“Fahrer überhaupt. Wir kommen sehr gut miteinande­r aus und arbeiten gut zusammen. Wir spielen keine dummen Spiele miteinande­r. Für das Team ist es gut, wenn sich die Fahrer auf die Arbeit konzentrie­ren. SN: Sie fuhren bisher für vier F1-Teams. In welchem fühlten Sie sich am besten geborgen? Meine Erfahrung mit Toro Rosso war für mich als jungen Fahrer damals außergewöh­nlich. Das Team war im Aufwind, 2008 war ein wunderbare­s Jahr, nicht nur wegen Monza. Wir hatten ein Auto, mit dem wir um Punkte mitfahren konnten. Dass ich in Valencia in Q2 die schnellste Zeit fahren konnte, war ein massives Erlebnis für mich. Und es war ein italienisc­hes Team. Die Atmosphäre damals war nicht zu überbieten. Ich hatte auch bei Red Bull eine großartige Zeit, aber die Stimmung war anders. Ich mag den britischen Humor . . . SN: Ein Wort zu Max Verstappen? Man muss bedenken, er ist erst 18. Vor Kurzem fuhr er noch Karts. Er macht einen formidable­n Job. Unglaublic­h. Da muss man sein Fan werden. SN: Erinnert er Sie manchmal an Sie selbst? Nein. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen und Erfahrunge­n sammeln. Es gibt keine Abkürzunge­n. Max hat seinen eigenen Stil. Und das ist gut so.

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BILD: SN/AP/KOCHETKOV Ein nachdenkli­cher Sebastian Vettel in der Ferrari-Box: Der vierfache Formel-1-Weltmeiste­r hofft im Traditions­team der Formel 1 auf weitere Titel.
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BILD: SN/AP Sebastian Vettel bei seiner Führung in Australien.

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