Eine legendäre Dachluke ist in Wels geborgen
Der Höhepunkt eines künstlichen Bergmassivs erinnert an den Anfang eines außergewöhnlichen Dialogs.
Tausende Menschen sind den Weg durch Düsternis und über hölzerne Steige geklettert, um die Köpfe durch eine Luke in den venezianischen Himmel zu strecken. Wie aus einem inwendig erklommenen Berg konnte man im Sommer 2005 da hinausschauen. Das quadratische Loch war Höhepunkt eines künstlichen Massivs namens „Das letzte Land“, mit dem Hans Schabus bei der Biennale Venedig den österreichischen Pavillon um-, zu- und ausgebaut hat. Das letzte Stück dieses imposanten temporären Kunstwerks, die Spitze, liegt nun in Wels.
Es erinnert daran, dass 2005 für Hans Schabus aus einem zweiten Grund ein denkwürdiges Jahr gewesen ist: Er erhielt damals den ersten Kardinal-König-Kunstpreis der Erzdiözese Salzburg. Weil das Alter dieses Preises nun zweistellig geworden sei, „haben wir uns zu einem wahrhaft nicht alltäglichen Ereignis versammelt“, sagte Prälat Johannes Neuhardt, Initiator und Stifter dieses den Dialog von Kunst und Kirche animierenden Preises, am Freitagabend im Museum Angerlehner. Dort sind nun Kunstwerke der bisher sieben Preisträger ausgestellt. Dass Margit Zuckriegl diesen Überblick gestaltet hat, ist erstes Beispiel dafür, dass sie sich nach ihrem Abschied nach fast 34 Jahren im Museum der Moderne Salzburg seit Anfang März als selbstständige Kuratorin etabliert.
Von Hans Schabus ist auch ein Foto zu sehen, das ihn in einem mit Ruder wie Segel betriebenen Booterl auf Frankfurt zuschwanken lässt – oder nein! In diesem harmlosen Schinakel erscheint die Finanzmetropole unerreichbar. Auch Kathi Hofer, Preisträgerin 2013, spielt mit Finanzbegriffen: Auf allerlei Kaffeehäferl hat sie Schlagwörter aus der Sprache des Ökonomen John Maynard Keynes affichiert und dazwischen Geschenkspackerl gelegt. Diese erinnern Margit Zuckriegl an „Profit versprechende, zurechtgeschnürte Portfolios“und das ganze Arrangement an „Utensilien, die anspielen auf Tarnen und Täuschen der Finanzmärkte“.
Von Julia Haller, der Preisträgerin 2015, hängen im Museum Angerlehner die auf den ersten Blick bloß schwarzen Bilder. Beim Betrachten werden subtile Oberflächen deutlich: glänzend und matt, Rillen und Linien, sodass im harten Schwarz zarte Eigenheiten schimmern.
Mit Werken von Marko Lulić (2009), Christian Mayer (2011) sowie Nicole Six und Paul Petritsch (2007) ergäben sich Beispiele dafür, dass Wahrnehmen mehr sei als Sehen, sagt Margit Zuckriegl. Davon leitet sie den Titel für die sechs „prononcierten Positionen“der Preisträger ab: Sehen ist Glauben.
Kunst gehe es „um geistige und spirituelle Auseinandersetzung“, erläuterte Johannes Neuhardt. „Das Kunstwerk verwandelt den Betrachter und sein Wahrnehmungsvermögen.“Er lobte die großzügige Gastlichkeit des Welser Industriellen und Museumsgründers Heinz J. Angerlehner, der wiederum die mit dem Preis evident werdende Aufgeschlossenheit der katholischen Kirche für Kunst hervorhob. Die Ausstellung „Seeing is Believing“über den Kardinal-König-Preis – das westösterreichische Pendant zum Otto-Mauer-Preis – bringt einen neuen Aspekt nach Wels-Thalheim.
Sie offenbart aber einen Exodus von Geist und Spiritualität aus Salzburg. Ein Überblick über einen seit zehn Jahren gepflogenen Dialog von Kunst und Kirche fand in seiner Herkunftsstadt keine Heimat. Dies ist ein Armutszeugnis für die Erzdiözese als Verleiherin des mit je 11.000 Euro dotierten Preises sowie für Domquartier oder Museum der Moderne als logische Adressen einer solchen Schau. Leihgeber von Werken der Preisträger sind mittlerweile Oberösterreichs Landesmuseum und Mumok in Wien.
Armutszeugnis für Salzburg