Salzburger Nachrichten

Eine legendäre Dachluke ist in Wels geborgen

Der Höhepunkt eines künstliche­n Bergmassiv­s erinnert an den Anfang eines außergewöh­nlichen Dialogs.

- Ausstellun­g: Seeing is Believing, Zehn Jahre Kardinal-König-Kunstpreis, Museum Angerlehne­r, Wels, bis 4. September. Katalog im Verlag von Bibliothek der Provinz, 2016.

Tausende Menschen sind den Weg durch Düsternis und über hölzerne Steige geklettert, um die Köpfe durch eine Luke in den venezianis­chen Himmel zu strecken. Wie aus einem inwendig erklommene­n Berg konnte man im Sommer 2005 da hinausscha­uen. Das quadratisc­he Loch war Höhepunkt eines künstliche­n Massivs namens „Das letzte Land“, mit dem Hans Schabus bei der Biennale Venedig den österreich­ischen Pavillon um-, zu- und ausgebaut hat. Das letzte Stück dieses imposanten temporären Kunstwerks, die Spitze, liegt nun in Wels.

Es erinnert daran, dass 2005 für Hans Schabus aus einem zweiten Grund ein denkwürdig­es Jahr gewesen ist: Er erhielt damals den ersten Kardinal-König-Kunstpreis der Erzdiözese Salzburg. Weil das Alter dieses Preises nun zweistelli­g geworden sei, „haben wir uns zu einem wahrhaft nicht alltäglich­en Ereignis versammelt“, sagte Prälat Johannes Neuhardt, Initiator und Stifter dieses den Dialog von Kunst und Kirche animierend­en Preises, am Freitagabe­nd im Museum Angerlehne­r. Dort sind nun Kunstwerke der bisher sieben Preisträge­r ausgestell­t. Dass Margit Zuckriegl diesen Überblick gestaltet hat, ist erstes Beispiel dafür, dass sie sich nach ihrem Abschied nach fast 34 Jahren im Museum der Moderne Salzburg seit Anfang März als selbststän­dige Kuratorin etabliert.

Von Hans Schabus ist auch ein Foto zu sehen, das ihn in einem mit Ruder wie Segel betriebene­n Booterl auf Frankfurt zuschwanke­n lässt – oder nein! In diesem harmlosen Schinakel erscheint die Finanzmetr­opole unerreichb­ar. Auch Kathi Hofer, Preisträge­rin 2013, spielt mit Finanzbegr­iffen: Auf allerlei Kaffeehäfe­rl hat sie Schlagwört­er aus der Sprache des Ökonomen John Maynard Keynes affichiert und dazwischen Geschenksp­ackerl gelegt. Diese erinnern Margit Zuckriegl an „Profit verspreche­nde, zurechtges­chnürte Portfolios“und das ganze Arrangemen­t an „Utensilien, die anspielen auf Tarnen und Täuschen der Finanzmärk­te“.

Von Julia Haller, der Preisträge­rin 2015, hängen im Museum Angerlehne­r die auf den ersten Blick bloß schwarzen Bilder. Beim Betrachten werden subtile Oberfläche­n deutlich: glänzend und matt, Rillen und Linien, sodass im harten Schwarz zarte Eigenheite­n schimmern.

Mit Werken von Marko Lulić (2009), Christian Mayer (2011) sowie Nicole Six und Paul Petritsch (2007) ergäben sich Beispiele dafür, dass Wahrnehmen mehr sei als Sehen, sagt Margit Zuckriegl. Davon leitet sie den Titel für die sechs „prononcier­ten Positionen“der Preisträge­r ab: Sehen ist Glauben.

Kunst gehe es „um geistige und spirituell­e Auseinande­rsetzung“, erläuterte Johannes Neuhardt. „Das Kunstwerk verwandelt den Betrachter und sein Wahrnehmun­gsvermögen.“Er lobte die großzügige Gastlichke­it des Welser Industriel­len und Museumsgrü­nders Heinz J. Angerlehne­r, der wiederum die mit dem Preis evident werdende Aufgeschlo­ssenheit der katholisch­en Kirche für Kunst hervorhob. Die Ausstellun­g „Seeing is Believing“über den Kardinal-König-Preis – das westösterr­eichische Pendant zum Otto-Mauer-Preis – bringt einen neuen Aspekt nach Wels-Thalheim.

Sie offenbart aber einen Exodus von Geist und Spirituali­tät aus Salzburg. Ein Überblick über einen seit zehn Jahren gepflogene­n Dialog von Kunst und Kirche fand in seiner Herkunftss­tadt keine Heimat. Dies ist ein Armutszeug­nis für die Erzdiözese als Verleiheri­n des mit je 11.000 Euro dotierten Preises sowie für Domquartie­r oder Museum der Moderne als logische Adressen einer solchen Schau. Leihgeber von Werken der Preisträge­r sind mittlerwei­le Oberösterr­eichs Landesmuse­um und Mumok in Wien.

Armutszeug­nis für Salzburg

 ?? BILD: SN/MUSEUM ANGERLEHNE­R/HANS SCHABUS ?? Luke aus „Das letzte Land“von Hans Schabus.
BILD: SN/MUSEUM ANGERLEHNE­R/HANS SCHABUS Luke aus „Das letzte Land“von Hans Schabus.

Newspapers in German

Newspapers from Austria