Nach dem Amoklauf sind noch viele Fragen offen
Drei Tote, elf Verletzte: Auf einem Konzert in Vorarlberg schoss ein 27-jähriger Mann wahllos um sich. Er hatte sich zuvor mit seiner Freundin gestritten.
NENZING. Der Schock sitzt tief in der Vorarlberger Gemeinde Nenzing mit 6200 Einwohnern. Es hätte ein zweitägiges Fest werden sollen, doch die Veranstaltung endete mit einem Blutbad: In der Nacht auf Sonntag tötete dort ein 27-jähriger Mann auf einem Konzertgelände zwei Männer (33, 48) aus Vorarlberg und verletzte mindestens elf weitere Besucher schwer. Dann tötete er sich selbst. Die meisten Verletzten stammen aus Vorarlberg. Sie sind im Alter von 25 bis 53 Jahren. Eine Frau (49) stammt aus der Schweiz, ein 44-jähriger Mann aus Liechtenstein. Ein Opfer schwebte am Sonntag in Lebensgefahr, mehrere Menschen erlitten schwere Verletzungen, zwei konnten das Krankenhaus bereits verlassen.
Nach ersten Erkenntnissen hatte sich der Mann in der Nacht auf Sonntag auf dem Festival in Nenzing heftig mit seiner Freundin gestritten. Dann ging er zu seinem Auto, das wenige Meter vom eigentlichen Festivalgelände entfernt stand, holte laut Polizei eine Langwaffe und schoss wahllos auf die rund 150 Besucher. Seine Freundin blieb unverletzt.
Auf dem Gelände kam es zu einer Massenpanik. Der Nenzinger Bürgermeister Florian Kasseroler sagte, die Schüsse seien aus dem Hinterhalt gefallen. Die Menschen seien auf angrenzende Wiesen, in den Wald und sogar auf die Autobahn geflohen. Zum Zeitpunkt der Tat sei das Gelände nur schwach von einigen Scheinwerfern und Lagerfeuern erhellt gewesen. Anwohner hielten die Schüsse für ein Feuerwerk, wie der Bürgermeister sagte. Seinen Informationen zufolge – die auf einer Einschätzung eines waffenkundigen Festbesuchers beruhten und nicht gesichert waren – dürfte der Täter zwischen 30 und 40 Schüsse abgegeben haben.
Kriseninterventionsteams des Roten Kreuzes versorgten Konzertbesucher, die unter Schock standen. Die Polizei suchte das Gelände ab, zeitweise mussten auch Autobahnabschnitte und Waldwege gesperrt werden. Ein Hubschrauber kreiste zeitweise über dem Gelände. Zahlreiche Rettungs- und Notarztwagen waren im Einsatz.
Die Polizei ermittelte am Sonntag auf Hochtouren. Die Hintergründe für die Tat und der exakte Tathergang müssten noch ermittelt werden, hieß es bei der Polizei in Vorarlberg am Sonntag. Die Einvernah- men der Zeugen sowie die Spurensicherung und Auswertungen am Tatort sollen noch den ganzen Tag dauern. Weitere Informationen will die Polizei heute, Montag, am Nachmittag in einer Pressekonferenz bekannt geben.
Die Konzertveranstaltung wurde von dem Vorarlberger Motorradclub The Lords organisiert. Die Veranstalter wollten sich nicht zu dem Amoklauf äußern, solange die Ermittlungen der Polizei noch nicht abgeschlossen seien. Das Konzert findet nach Angaben der Polizei jedes Jahr auf dem Gelände des Motorradclubs statt. Bürgermeister Kasseroler sagte, das Konzert sei eher ein „großes Grillfest mit Musik“. Es werde von vielen Jugendlichen besucht. Bisher habe es nie Zwischenfälle gegeben.
Der Motorradclub war nach eigenen Angaben 1986 gegründet worden. Auf der Homepage ist zu lesen, dass der Club derzeit rund 15 Mitglieder habe. Mit der Lordsparty Ende Mai habe man sich einen Namen gemacht. Die Veranstaltung zähle „zu den größten Bikerveranstaltungen im Ländle“.
Tief betroffen zeigte sich der Feldkircher Bischof Benno Elbs: Die Gewalttat habe Leid und Trauer über viele Menschen gebracht. Die Ereignisse zeigten, „wie blind Gewalt ist und welche Trauer, welches Leid und welche Verzweiflung sie mit sich bringt. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien.“
Auch wenn das Motiv des Verdächtigen noch nicht eindeutig feststeht, ging es dem Täter wohl darum, ein „möglichst großes Zeichen zu setzen“. Das sagte der Psychologe Cornel BinderKrieglstein. Der eigene Selbstmord werde dabei oft miteingeplant. Es gebe zwei Möglichkeiten: Entweder habe der Täter im Affekt gehandelt oder die Tat sei geplant gewesen, sagt der Psychologe. Unklar war vorerst, ob der Verdächtige die Waffe immer in seinem Auto hatte oder ob er diese extra zu dem Treffen mitgenommen hatte.
Grundsätzlich gehen Amokläufe aus subjektiv erlebten Kränkungen hervor. Die Täter fühlten sich gedemütigt, bis „eine Grenze überschritten wird und die Hemmschwelle fällt“, erklärte der Psychologe.
Das Landeskriminalamt Vorarlberg bittet Zeugen und Betroffene, die Hinweise zur Tat geben können, sich zu melden. Auch Angehörige können sich unter der Telefonnummer melden: +43 (0) 59 133 80 3333.