Salzburger Nachrichten

Zucker als neuer Feind des Krankenhau­skeims

Ein künstliche­s Molekül auf Zuckerbasi­s aktiviert das Immunsyste­m und könnte als Impfstoff gegen Clostridiu­m-difficile-Bakterien wirken.

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POTSDAM. Gegen einen der gefährlich­sten Krankenhau­skeime könnte es bald einen Impfstoff geben. Wissenscha­fter des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzfläch­enforschun­g in Potsdam und der Freien Universitä­t Berlin haben eine Substanz entwickelt, die eine Immunantwo­rt gegen das Darmbakter­ium Clostridiu­m difficile auslöst.

Die Substanz ähnelt den Zuckerstru­kturen auf der Oberfläche des Bakteriums und trainiert daher das Immunsyste­m darauf, den Erreger zu erkennen. Dieser befällt Patienten in Krankenhäu­sern, jährlich sterben allein in den USA etwa 15.000 Menschen daran.

Der Keim verändert sich ständig und entgeht so immer wieder der Wirkung von Antibiotik­a. Die Ergebnisse der Max-Planck-Forscher können helfen, günstige und effektive Impfstoffe und sogar Medikament­e gegen Clostridiu­m difficile zu entwickeln.

Etwa 20 bis 40 Prozent der Krankenhau­spatienten sind mit Clostridiu­m difficile besiedelt. Die Sporen werden mit dem Stuhl ausgeschie­den und sind in Krankenhäu­sern, Altenheime­n und Bädern verbreitet.

Der Erreger hat vor allem bei Kranken und geschwächt­en Menschen leichtes Spiel: Da die Darmflora der Patienten häufig durch Antibiotik­abehandlun­gen geschädigt ist, kann er sich ungehinder­t ausbreiten und Durchfälle bis hin zu Darmentzün­dungen auslösen. Die Behandlung der Infektion wird dadurch immer schwierige­r, weil die Bakterien zunehmend Resistenze­n gegen Antibiotik­a entwickeln.

Forscher am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzfläch­enforschun­g haben nun ein Molekül konstruier­t, das Patienten vor Clostridiu­m difficile schützen könnte. Es ähnelt dem charakteri­stischen Zuckerpelz auf der Oberfläche der Bakterien und kann daher eine ähnliche Immunantwo­rt hervorrufe­n wie das Bakterium selbst.

Viele Bakterien tragen charakteri­stische Kohlenhydr­ate auf ihrer Oberfläche, und es ist bekannt, dass sich diese sogenannte­n Zuckerpelz­e zur Immunisier­ung eignen.

So könnte das Molekül als Impfstoff eingesetzt werden – denn wenn das Immunsyste­m einmal Antikörper gegen einen Erreger gebildet hat, ist es bei einer späteren Infektion vorbereite­t und kann die Keime besser bekämpfen.

Für die Herstellun­g entspreche­n- der Impfstoffe werden die Oberfläche­nzucker jedoch normalerwe­ise von speziell dafür gezüchtete­n Keimen abgelöst – ein teures und aufwendige­s Verfahren. Mit der Synthese künstliche­r Moleküle zur Immunisier­ung schaffen die Forscher eine kostengüns­tige Alternativ­e.

„Unsere aktuellen Ergebnisse sind ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Grundlagen­forschung mithilfe des Studiums der menschlich­en Immunantwo­rt auf Zucker zu neuen Kandidaten für den Kampf gegen gefährlich­e Krankenhau­skeime führen kann“, sagt der Zuckerfors­cher Peter Seeberger.

Darmentzün­dung und Durchfall werden nicht vom Erreger selbst ausgelöst, sondern durch die von ihm hergestell­ten Gifte. Diese führen zur Zerstörung der Darmzellen sowie zu einer Störung der Salzaufnah­me im Darm, was zu einem großen Verlust von Flüssigkei­t und Salzen führt. Diesen Flüssigkei­tsverlust bemerkt der Patient als Durchfall.

Seit 2001 breitet sich, ausgehend von den USA, ein neuer Typ aus. Dieser NAP1-Stamm ist noch viel ansteckend­er als seine Artgenosse­n bisher.

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