Salzburger Nachrichten

Wann ist ein Nottestame­nt gültig?

In Extremfäll­en kann man seinen Letzten Willen auch mündlich kundtun.

- Klie

Seit der Erbrechtsn­ovelle 2004 gibt es mündliche Testamente nur noch als Notform. Ein solches Nottestame­nt setzt voraus, dass es vor zwei Zeugen errichtet wird und unmittelba­r Gefahr droht oder zu befürchten ist, dass der Erblasser stirbt oder seine Testierfäh­igkeit verliert, bevor er seinen Letzten Willen auf eine andere Weise erklären kann – wenn also keine Zeit für ein herkömmlic­hes Testament bleibt. Bereits 2012 wies der Oberste Gerichtsho­f (OGH) darauf hin, dass es nicht allein auf das objektive Vorliegen von Lebensgefa­hr ankomme, vielmehr reiche schon eine bedrohlich­e Situation aus, wenn sie bei anderen Menschen in der Situation des Erblassers den Eindruck erweckt, es bestünde unmittelba­r ernstliche Lebensgefa­hr – in der Praxis oft schwierig zu beurteilen.

So auch im Fall eines Arztes, der im Alter von 62 Jahren nach einer Notoperati­on verstarb, nachdem bei ihm Blutkrebs diagnostiz­iert worden war. Während seiner Wachphasen war der Patient geistig voll orientiert und ansprechba­r. Seinen Gesundheit­szustand beurteilte er selbst als kritisch, wiederholt äußerte er die Vermutung, dass er die Krankensta­tion nicht lebend verlassen wird. Aus diesem Grund bat er seine Lebensgefä­hrtin, eine Richterin, um Abklärung, wie er seine letztwilli­ge Verfügung ändern kann. Er selbst konnte keinen längeren Text mehr verfassen, ein fremdhändi­ges Testament hätte er aber unterferti­gen können. Nachdem ihn seine Lebensgefä­hrtin auf die Möglichkei­t eines mündlichen Testaments hingewiese­n hatte, erklärte der Patient anschließe­nd vor zwei Zeugen, dass er seinen Neffen und seine Nichte als Alleinerbe­n einsetzt und ein früheres Vermächtni­s zugunsten seines Bruders widerruft. Vor Gericht wurde die Wirksamkei­t des Nottestame­nts dann bestritten. Der OGH stellte klar: Für die Wirksamkei­t ist entscheide­nd, dass der Erblasser subjektiv von einer lebensbedr­ohlichen Situation ausging und der Eindruck durch objektive Umstände allgemein nachvollzi­ehbar ist. Zudem müsse es dem Erblasser unmöglich sein, in anderer Weise zu testieren.

Im vorliegend­en Fall wäre unter Umständen ein fremdhändi­ges Testament möglich gewesen. Dafür hätte der Erblasser lediglich einen weiteren Zeugen benötigt, sodass er vor drei Zeugen seinen Willen hätte diktieren können. Die Gerichte müssen jetzt prüfen, ob diese Möglichkei­t bestanden hat.

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