Die Hoffnung ist grünblau
Einer wird gewinnen. Wer sind die beiden Männer, die sich ein Kopf-an-KopfRennen in die Hofburg liefern?
ALEXANDER PURGER
WIEN. Er wäre der jüngste Bundespräsident, den Österreich je hatte. Norbert Hofer ist erst 45 Jahre alt, wäre also nicht einmal dann, wenn er volle zwölf Jahre im Amt bliebe, pensionsreif. Und er wäre der erste Bundespräsident, der nicht von der SPÖ oder der ÖVP aufgestellt wurde, sondern aus der FPÖ kommt.
Wer ist nun der mögliche neue – und zwar in vielerlei Beziehung neue – Bundespräsident? Norbert Hofer wurde am 2. März 1971 in Vorau geboren und wuchs in Pinkafeld auf, wo er noch heute seinen Wohnsitz hat. Hofer stammt aus einem bürgerlichen Elternhaus, sein Vater war ÖVP-Gemeinderat. Der Sohn schlug die Laufbahn des Flugzeugtechnikers ein und war für die Lauda Air tätig. Schon bald wandte er sich der Politik zu, und zwar den Freiheitlichen. Bereits mit 24 Jahren war er Stadtparteiobmann in Eisenstadt, ein Jahr später Landesparteisekretär der FPÖ Burgenland.
Nach der Spaltung von FPÖ und BZÖ entschied sich der als gemäßigt geltende Hofer für viele überraschend für die FPÖ und für HeinzChristian Strache. Dieser holte Hofer 2005 als stellvertretenden Bundesparteichef in seinen engsten Führungsstab. 2006 zog Hofer in den Nationalrat ein, im Jahr 2013 folgte der nächste Karrieresprung: Hofer wurde Dritter Nationalratspräsident. Anders als sein Vorgänger Martin Graf setzte Hofer in diesem Amt nicht auf Polarisierung, sondern auf leise Töne.
Hofer gilt als freundlich, verbindlich und sozial engagiert. Dass er Behindertensprecher der FPÖ wurde, war auf einen persönlichen Schicksalsschlag zurückzuführen. Im Sommer 2003 zog sich Hofer bei einem Paragleiter-Unfall in der Steiermark schwerste Verletzungen zu. Noch heute ist Hofer beim Gehen auf einen Stock angewiesen.
Wo steht Hofer politisch? In einem SN-Interview beantwortete er diese Frage so: „Sozialpolitisch links, in wirtschaftspolitischen Fragen befreit von wirtschaftstheoretischen Dogmen und in sicherheitspolitischen Fragen rechts.“Im Wahlkampf positionierte sich Hofer als Gegengewicht zur krisengeschüttelten Koalition und kündigte an, eine Regierung, die ihre Arbeit nicht mache, notfalls zu entlassen. Man werde sich wundern, was der Bundespräsident alles könne, lautete eine seiner Aussagen, die von manchen als Drohung mit einer blauen Republik, von anderen als Verheißung eines Aufbruchs aus der Erstarrung gewertet wurde.
Hofer ist Gegner des Freihandelsabkommens TTIP und Gegner eines EU-Beitritts der Türkei. In der Migrationsfrage war er früh ein Gegner der Willkommenskultur. Sollte Hofer nicht Bundespräsident werden, ist er nach diesem Wahlkampf eine wichtige Personalreserve der FPÖ mit großen Chancen auf ein künftiges Regierungsamt.
ANDREAS KOLLER
WIEN. 54 Prozent der Frauen; 56 Prozent der unter 30-Jährigen; und 69 Prozent der Maturanten haben gestern, Sonntag, ihr Kreuzchen beim von den Grünen unterstützten Kandidaten Alexander Van der Bellen gemacht. Dies geht aus einer Untersuchung hervor, die der Wahlforscher Peter Hajek für den TV-Sender ATV angefertigt hat. Bleibt zu ergänzen, dass Van der Bellen vor allem in den größeren Städten überdurchschnittlich gut abgeschnitten hat.
Diese Ergebnisse spiegeln perfekt die Person des Mannes, dem es möglicherweise gelingen wird, als erster Kandidat, der keine der Koalitionsparteien im Rücken hat, in die Hofburg einzuziehen. Der Professor mit dem betont nicht professoralen Gehabe und mit dem Faible für die Bewohner Entenhausens hatte stets die Gabe, die jüngeren, weniger autoritätsgläubigen, urbaneren Menschen anzusprechen. Was ihn dazu prädestinierte, zum längstdienenden Vorsitzenden der notorisch unberechenbaren Grünen zu werden.
Van der Bellen gehört seit Jahren zum politischen Inventar Österreichs. Einen neuen Van der Bellen lernte man erst im Wahlkampf um die Bundespräsidentschaft kennen. Der grüne Kandidat besann sich öffentlichkeitswirksam seiner Wurzeln im Tiroler Kaunertal, wo er einst als estnisch-russisches Flüchtlingskind mit seinen Eltern gestrandet war und wo er heute noch Freunde hat. Die Kaunertaler dankten es ihm gestern mit einem fulminanten Wahlergebnis.
Wie auch immer das HofburgRennen ausgehen mag: Es handelt sich um den größten Wahlerfolg, den eine von den Grünen unterstützte Person je eingefahren hat. Was sinnbildlich für die Radikalität ist, mit der sich die Wähler von den traditionellen Politikertypen abgewandt haben. Denn Van der Bellen ist der Antipolitiker schlechthin. Erst mit 50 Jahren nach einer langen Karriere als Finanzwissenschafter an der Universität in die Politik eingestiegen, bürstet er diese gegen den Strich. Er denkt nach, wo andere das schnelle Wort von sich geben; er schweigt, wenn andere schreien; er raucht, wenn andere das Banner des Nichtraucherschutzes vor sich hertragen. Er löst festgefahrene Ideologiefragen mit feinem Humor. „Warum sollen Homosexuelle nicht die gleichen Fehler machen dürfen wie Heterosexuelle?“, sagte er auf die Frage, ob man die Ehe für Schwule öffnen solle. Bei den Wählern kam das gut an. Van der Bellen fuhr als Grünen-Chef solide Wahlergebnisse ein und steuerte seine Partei auf einem konstruktiv-oppositionellen Kurs. Dass jemand, der seit acht Jahren nicht mehr in der ersten Reihe steht, ein derartig gutes Präsidentschaftswahlergebnis einfahren kann, spricht für die Person des grünen Professors.
Der Höhenflug des Flugzeugtechnikers Er bürstet die Politik gegen den Strich