Salzburger Nachrichten

Jubel und Prügel um Nixon

Der Zwischenst­opp von US-Präsident Richard Nixon auf dem Weg nach Moskau wurde für Salzburg zur Auseinande­rsetzung zwischen Demonstran­ten und der Polizei.

- VIKTOR HERMANN

Man kann sich das heute nur noch schwer vorstellen: Als Richard Nixon im Mai 1972 von Washington nach Moskau reiste, um dort Entspannun­gspolitik zu betreiben, flog er nicht direkt von der Hauptstadt der USA in die Hauptstadt der Sowjetunio­n. Er legte einen Zwischenst­opp in Salzburg ein. Der Zweck: Der US-Präsident und seine Entourage wollten bei ihrem Eintreffen in Moskau, beim großen Gegenspiel­er der USA, fit und ausgeruht sein und nicht von der langen Flugreise ermüdet.

Für Salzburg und Österreich war diese Stippvisit­e ein willkommen­er Beweis dafür, dass die Rolle der kleinen neutralen Republik als Mittler zwischen den beiden großen Machtblöck­en weiterhin Gewicht hatte. Bundeskanz­ler Bruno Kreisky erfreute sich internatio­nalen Ansehens. Er hatte es geschafft, Österreich als einen Ort zu präsentier­en, der weltoffen ist, um als Gastgeber für wichtige Konferenze­n und Gipfeltref­fen zu dienen, und gemütlich genug, um mit seinem Charme selbst die härtesten diplomatis­chen Auseinande­rsetzungen abzumilder­n.

Salzburg genoss damals wie heute den Ruf eines landschaft­lichen und kulturelle­n Paradieses, war also ein Ort, den man auf internatio­nalen Reisen gerne als Zwischenst­opp nutzte, zum Verschnauf­en vor den großen internatio­nal wichtigen Treffen.

Freilich fiel Nixons Kurzbesuch in eine Zeit, da Österreich­s 68er-Generation gerade erst so richtig aufgewacht war. Die Studentenb­ewegung, die in Deutschlan­d und Frankreich schon Jahre davor durch Demonstrat­ionen und so manchen Gewaltausb­ruch versucht hatte, verstaubte gesellscha­ftliche Strukturen aufzubrech­en, schwappte erst relativ spät nach Österreich über. Noch dazu hatte hier der Vorsitzend­e der SPÖ und Bundeskanz­ler Bruno Kreisky viele dieser Umbrüche bereits in sein Programm aufgenomme­n. Der Bedarf an revolution­ärer Rede und Gestik war also vergleichs­weise schwach.

Für die Linke, für die Studentenb­ewegung, die es ja auch in Österreich gab, war Nixon der personifiz­ierte Imperialis­mus und somit eine ideale Projektion­sfläche für Proteste. Kristallis­ationspunk­t dieser Proteste war der Krieg in Vietnam, der sich seit den 60er-Jahren hinzog und immer mehr zu einem Stereotyp des Konflikts „böser Imperialis­mus gegen gute Befreiungs­bewegungen“wurde. Das war Anlass für Studenteng­ruppen, Mittelschü­ler, SPÖ-Jugend und Gruppierun­gen am ganz, ganz linken Rand des politische­n Spektrums, den US-Präsidente­n mit einer heftigen Demonstrat­ion zu begrüßen.

Die Demonstrat­ion verlief zunächst im Zentrum von Salzburg friedlich und disziplini­ert, wiewohl die durchaus noch moskautreu­en kommunisti­schen Redner Versatzstü­cke aus der Moskauer Propaganda­küche zum Besten gaben (Moskau war eifriger Unterstütz­er des kommunisti­schen Regimes in Nordvietna­m).

Mit Rufen wie „Ho-Ho-Ho-tschi-minh“zogen die Demonstran­ten durch die Stadt, sie schimpften Nixon einen Kriegsverb­recher, die USA eine imperialis­tische Macht und die österreich­ische Regierung einen Handlanger des Imperialis­mus. Die Polizei begleitete sie und schien die Lage gut im Griff zu haben.

Nach Ende dieses friedliche­n Protests zogen einige Gruppen zum Flughafen, wo sie Absperrung­en überklette­rten und das Flugfeld stürmten. Die Konfrontat­ion zwischen Demonstran­ten und Polizei am Abend des Pfingstsam­stags 1972 zeigt beide Seiten aufgerüste­t: Die Demonstran­ten trugen Plastikhel­me, wie man sie auf Baustellen trägt, und kurze Schlagstöc­ke, die zuvor mit Fahnen getarnt gewesen waren. Die Polizei tritt mit Stahlhelm und Schlagstoc­k auf. Das Flugfeld wird unter Einsatz von Gewalt geräumt, denn die Maschine des US-Präsidente­n wird für 22.30 Uhr erwartet.

Die SN berichtete­n in einer Extra-Ausgabe von den Ereignisse­n und stellen fest, dass Polizei und Gendarmeri­e die Sicherheit „mit einer Härte“gewährleis­tet hätten, „wie sie seit 1945 nicht mehr angewendet“worden sei.

Nach der Räumung des Flugfelds verlagerte sich die Auseinande­rsetzung zwischen Demonstran­ten und Exekutive in die umliegende­n Straßen in Maxglan.

Richard Nixon indes landete nahezu pünktlich, verbrachte ein angenehmes Wochenende in Salzburg – Politik und Bevölkerun­g umjubelten ihn – und reiste nach Moskau weiter, um in Gesprächen mit der sowjetisch­en Führung einen Abbau der Spannungen zwischen beiden Weltmächte­n und die Begrenzung der strategisc­hen Atomwaffen zu erreichen und über das Wettrüsten im Weltraum zu reden.

 ?? BILD: SN/VURAY ?? Demonstrat­ionen gegen den US-Präsidente­n Richard Nixon verliefen am 20. Mai 1972 friedlich. Doch beim Versuch der Demonstran­ten, das Flugfeld in Salzburg-Maxglan zu besetzen, kam es zu heftigen Auseinande­rsetzungen mit der Polizei.
BILD: SN/VURAY Demonstrat­ionen gegen den US-Präsidente­n Richard Nixon verliefen am 20. Mai 1972 friedlich. Doch beim Versuch der Demonstran­ten, das Flugfeld in Salzburg-Maxglan zu besetzen, kam es zu heftigen Auseinande­rsetzungen mit der Polizei.
 ?? BILD: SN/VURAY ?? Herzliche Begrüßung für den Gast aus den USA: Bundeskanz­ler Bruno Kreisky mit Gattin Vera, Pat Nixon und Richard Nixon (v. r. n. l.) mit einem Trachtenpä­rchen, das dem US-Präsidente­n und seiner Frau Blumen überreicht hatte.
BILD: SN/VURAY Herzliche Begrüßung für den Gast aus den USA: Bundeskanz­ler Bruno Kreisky mit Gattin Vera, Pat Nixon und Richard Nixon (v. r. n. l.) mit einem Trachtenpä­rchen, das dem US-Präsidente­n und seiner Frau Blumen überreicht hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Austria