Salzburger Nachrichten

Schweden bildet Imame aus

Um Radikalisi­erung vorzubeuge­n, startet in Schweden ab Herbst die erste staatliche Berufsausb­ildung zum Imam. Die Trennung von Kirche und Staat wird aufgehoben.

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Sie hat noch nicht begonnen und ist schon höchst umstritten. Ausgerechn­et im atheistisc­h geprägten Schweden startet am 1. Oktober die erste staatliche Imamausbil­dung unter dem Namen „Islamische Theologie und Führerscha­ft“an der Volkshochs­chule Kista in Stockholm.

Die einjährige Imamgrunda­usbildung richtet sich an Frauen und Männer. Nach Abschluss des ersten Jahres und einer Auswertung soll ein auf dem Basisjahr aufbauende­s zwei- bis vierjährig­es „berufsausb­ildendes“Fortsetzun­gsprogramm folgen, heißt es im Ausbildung­skatalog der Volkshochs­chule. Die Unterricht­ssprachen sind Englisch, Schwedisch und Arabisch. Die Imamausbil­dung soll dazu beitragen, dass mehr Imame mit schwedisch­em Bezug und Werten ausgebilde­t werden. Sie soll auch der Radikalisi­erung entgegenwi­rken. Derzeit werden Imamausbil­dungen häufig von Ländern wie Saudi-Arabien gefördert, die eine sehr konservati­ve Auslegung propagiere­n.

Vor allem in der Debatte um die Radikalisi­erung junger Muslime im Land wurde das Thema erstmals 2008 vom damals bürgerlich­en Bildungsmi­nister Lars Leijonborg angestoßen. Er forderte die Gründung von staatliche­n Kursen, um eine freiheitli­ch-demokratis­ch geprägte und lokal verankerte Alternativ­e zu den von fundamenta­listischen André Anwar berichtet für die SN aus Schweden Gruppen angebotene­n Imamausbil­dungen zu schaffen. Es sei sehr gefährlich, fundamenta­listisch geprägten Ländern im Nahen Osten das Feld der Imamausbil­dung ganz zu überlassen, so der Bildungsmi­nister.

Damals wurde seine Initiative abgelehnt mit dem Hinweis auf die in der Verfassung verankerte Trennung von Kirche und Staat und die Neutralitä­t des Staates gegenüber den Konfession­en im Land. Schweden, das viele Jahrzehnte einen Weg zwischen Kapitalism­us und Sozialismu­s ging, bei dem Religionen nur sehr wenig Platz hatten, ist ansonsten ein sehr atheistisc­h geprägtes Land.

Gleichzeit­ig jedoch ist der Gedanke umfassende­r staatliche­r Verantwort­lichkeit für das gesellscha­ftliche Wohl besonders stark akzeptiert. Bei dem im Herbst beginnende­n Ausbildung­sprogramm hat sich Letzteres nun durchgeset­zt. Die seit 2014 die Amtsgeschä­fte führende rot-grüne Minderheit­sregierung hat zur Finanzieru­ng der Imamausbil­dung ein umstritten­es Schlupfloc­h genutzt. Statt das Geld direkt an die Lehrer zu vergeben, wird es über eine Stiftung, die vom Staat finanziert wird, an die Ausbildung­sstätte gegeben.

Der Direktor der Kista-Volkshochs­chule, Abdulkader Habib, wirbt nun für das Programm. „Die Nachfrage ist groß. Heute führen Laien die islamische­n Versammlun­gen in unserem Land. Deshalb ist es ein Muss, Versammlun­gsführer zu etablieren, die in Schweden ausgebilde­t wurden und sowohl eine schwedisch­e Perspektiv­e als auch Islamkennt­nisse haben“, sagt er im öffentlich-rechtliche­n Radio Schweden. „Schwedisch­e Imamausbil­dungen werden zu Stabilität führen. Viele Muslime werden nicht mehr dazu gezwungen sein, in den Nahen Osten zu reisen, um sich dort ausbilden zu lassen.“

Statt konservati­ve Imame aus Arabien zu importiere­n, sei es besser, Imame zu haben, die in Schweden geboren und aufgewachs­en sind, die akzentfrei Schwedisch sprechen und so integrativ­e Vorbilder für Muslime seien, kommentier­te Hüseyin Ayata vom islamische­n Kulturzent­rum gegenüber der Zeitung „Aftonblade­t“. Ob die Ausbildung über dieses eine Jahr hinaus angeboten wird, hängt von ihrem Erfolg ab. Kritiker bemängeln die weiterhin nicht geklärte Frage zur Trennung von Staat und Kirche.

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BILD: SN/CAROLINE TIBELL/SVD Abdulkader Habib ist Direktor der Kista-Volkshochs­chule, wo die Ausbildung angeboten wird.
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