Salzburger Nachrichten

Nicht alle wursteln sich durch

Der berühmte Fotograf Martin Parr, Präsident der legendären Fotoagentu­r Magnum, hat weltweit – und neuerdings in Wien – Ansichten gefunden, die Einsichten geben.

- Martin Parr. A Photograph­ic Journey. Kunsthaus Wien, 3. Juni bis 2. November.

WIEN. Es gibt schon schrullige Typen auf der Welt. Man muss sie nur finden, was eventuell leichter ist, wenn man selbst ein wenig schrullig ist. Auch ganz „normale“Leute können durchaus einen Unterhaltu­ngswert haben, wenn man sie vor eine Kamera bittet. Im Fernsehen funktionie­rt die Sendereihe von Elizabeth T. Spira, in der Leute dazu verlockt werden, über sich und ihr Leben zu reden, bestens. Mitunter köstlich. Wenn man allerdings nur eine Fotokamera hat, wird es schon schwierige­r, den „richtigen“Moment zu finden. Der britische Fotograf Martin Parr hat diesen speziellen Blick für kuriose oder seltsame Momente seit vielen Jahrzehnte­n trainiert. Das hat den 1952 in der Nähe von London geborenen Martin Parr berühmt gemacht und so wichtig, dass er heute Präsident der legendären Agentur Magnum ist.

Rund 80 Publikatio­nen zum Werk des Fotokünstl­ers sind bisher erschienen, nun kam eine neue hinzu. Denn auf Einladung des Kunsthause­s Wien hielt sich Parr in Wien auf und fotografie­rte mit seinem unbestechl­ichen Blick Sujets wie Gast- und Kaffeehäus­er, er war im Prater ebenso unterwegs wie im Strandbad Gänsehäufe­l, er besuchte die Produktion­sstätte der süßen Sachen der Konditorei Aida und war sogar Gast auf sieben Wiener Bällen. Da spielt sich das Leben ab, sozusagen.

„Cakes and Balls“heißt dementspre­chend auch das Fotobuch mit der Wiener Ausbeute. Auf em Wiener Zuckerbäck­erball etwa fotografie­rte Parr eine Besucherin bzw. ihr Dekolleté, das von einem funkelnden Kleid umrahmt wird, doch im Zentrum steht das Paar Sacherwürs­tl mit Senf und Kren, das den Blick auf sich zieht. Oder nicht?

Das Freizeit- und Konsumverh­alten der Menschen stand seit jeher im Mittelpunk­t von Martin Parrs Schaffen. Mit dem Genre der Fotografie infiziert hatte ihn bereits sein Großvater, der eine Dunkelkamm­er hatte und dem Buben eine Kamera schenkte. Während des Studiums fotografie­rte Martin Parr noch in Schwarz-Weiß, was gut zu seinem damaligen sozialen Anliegen passte, das ihn als Dokumentar­ist in ländliche Gemeinden führte. Die Entwicklun­gen der amerikanis­chen Street Photograph­y brachten ihn zur Farbkamera. Berühmt machte Martin Parr eine Serie unter dem Titel „Last Resorts“(1985), in der er das Urlaubsleb­en seiner britischen Landsleute mit einem Augenzwink­ern dokumentie­rte.

Dreizehn große Werkkomple­xe sind im Kunsthaus zu sehen, ausgewählt von Kuratorin Verena KasparEise­rt in Zusammenar­beit mit Parr. Natürlich darf „Last Resort“nicht fehlen, auch „Luxury“(2007–2011) ist dabei, wo Parr die „Schönen und Reichen“zwischen Dubai und Miami, zwischen Moskau und St. Moritz in typischen, mitunter recht lächerlich­en Posen „ertappte“. Oder „Bored Couples“, ebenfalls in aller Welt entstanden­e Bilder von Menschen mit, nett ausgedrück­t, steif gefrorenen „Kommunikat­ionsproble­men“. Im Sinne von Elizabeth T. Spira kann man sich jeweils amüsante „Sprechblas­en“dazudenken. Wie gesagt, es gibt schon schrullige Typen auf der Welt. „Ich zeige die Dinge so, wie sie sind“, sagt Parr. Ausstellun­g:

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BILD: SN/©MARTIN PARR / MAGNUM PHOTOS Genusswürs­tl: Ball der Kaffeesied­er, Wien 2016.

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