Nicht alle wursteln sich durch
Der berühmte Fotograf Martin Parr, Präsident der legendären Fotoagentur Magnum, hat weltweit – und neuerdings in Wien – Ansichten gefunden, die Einsichten geben.
WIEN. Es gibt schon schrullige Typen auf der Welt. Man muss sie nur finden, was eventuell leichter ist, wenn man selbst ein wenig schrullig ist. Auch ganz „normale“Leute können durchaus einen Unterhaltungswert haben, wenn man sie vor eine Kamera bittet. Im Fernsehen funktioniert die Sendereihe von Elizabeth T. Spira, in der Leute dazu verlockt werden, über sich und ihr Leben zu reden, bestens. Mitunter köstlich. Wenn man allerdings nur eine Fotokamera hat, wird es schon schwieriger, den „richtigen“Moment zu finden. Der britische Fotograf Martin Parr hat diesen speziellen Blick für kuriose oder seltsame Momente seit vielen Jahrzehnten trainiert. Das hat den 1952 in der Nähe von London geborenen Martin Parr berühmt gemacht und so wichtig, dass er heute Präsident der legendären Agentur Magnum ist.
Rund 80 Publikationen zum Werk des Fotokünstlers sind bisher erschienen, nun kam eine neue hinzu. Denn auf Einladung des Kunsthauses Wien hielt sich Parr in Wien auf und fotografierte mit seinem unbestechlichen Blick Sujets wie Gast- und Kaffeehäuser, er war im Prater ebenso unterwegs wie im Strandbad Gänsehäufel, er besuchte die Produktionsstätte der süßen Sachen der Konditorei Aida und war sogar Gast auf sieben Wiener Bällen. Da spielt sich das Leben ab, sozusagen.
„Cakes and Balls“heißt dementsprechend auch das Fotobuch mit der Wiener Ausbeute. Auf em Wiener Zuckerbäckerball etwa fotografierte Parr eine Besucherin bzw. ihr Dekolleté, das von einem funkelnden Kleid umrahmt wird, doch im Zentrum steht das Paar Sacherwürstl mit Senf und Kren, das den Blick auf sich zieht. Oder nicht?
Das Freizeit- und Konsumverhalten der Menschen stand seit jeher im Mittelpunkt von Martin Parrs Schaffen. Mit dem Genre der Fotografie infiziert hatte ihn bereits sein Großvater, der eine Dunkelkammer hatte und dem Buben eine Kamera schenkte. Während des Studiums fotografierte Martin Parr noch in Schwarz-Weiß, was gut zu seinem damaligen sozialen Anliegen passte, das ihn als Dokumentarist in ländliche Gemeinden führte. Die Entwicklungen der amerikanischen Street Photography brachten ihn zur Farbkamera. Berühmt machte Martin Parr eine Serie unter dem Titel „Last Resorts“(1985), in der er das Urlaubsleben seiner britischen Landsleute mit einem Augenzwinkern dokumentierte.
Dreizehn große Werkkomplexe sind im Kunsthaus zu sehen, ausgewählt von Kuratorin Verena KasparEisert in Zusammenarbeit mit Parr. Natürlich darf „Last Resort“nicht fehlen, auch „Luxury“(2007–2011) ist dabei, wo Parr die „Schönen und Reichen“zwischen Dubai und Miami, zwischen Moskau und St. Moritz in typischen, mitunter recht lächerlichen Posen „ertappte“. Oder „Bored Couples“, ebenfalls in aller Welt entstandene Bilder von Menschen mit, nett ausgedrückt, steif gefrorenen „Kommunikationsproblemen“. Im Sinne von Elizabeth T. Spira kann man sich jeweils amüsante „Sprechblasen“dazudenken. Wie gesagt, es gibt schon schrullige Typen auf der Welt. „Ich zeige die Dinge so, wie sie sind“, sagt Parr. Ausstellung: