Raus aus der Echokammer, hinein ins echte Leben
Das Internet eröffnet nicht nur eine neue Welt. Immer klarer wird, dass es auch abschottet und einlullt. Das ist gefährlich für Innovation.
Es gibt nichts, was es nicht gibt: Die einen versuchen, ferne Galaxien zu finden, andere verfassen schräge Satiretexte oder verbringen die Wochenenden mit dem Bau von Tortenkunstwerken, um sie zu posten und sich unter ihresgleichen Anerkennung zu holen. Es gibt Tausende User-Foren, Communities und Gruppen auf Facebook, Twitter und Co., bei denen sich alles um ein bestimmtes Thema dreht. Niemand überblickt dieses Ökosystem von ernsthaften bis schrulligen virtuellen Gruppen. Es ist wunderbar, dass es sie gibt, denn für User war es noch nie so einfach, in den Weiten des Netzes Gleichgesinnte zu finden. Auch für Unternehmen sind sie ein Segen: Sie bekommen Antworten auf schwierige Fragen, Inspiration für Entwicklungen und Zugang zu neuen Geschäftsoder Innovationspartnern, die sie im echten Leben vielleicht nie gefunden hätten.
Andererseits entpuppt sich die große Verbindungsmaschine, die hin und wieder die Luke zu einer neuen Welt öffnet, auch als machtvolles Werkzeug der Abschottung, das gefährliche Konsequenzen erahnen lässt: Soziale Medien verstärken die menschlichen Neigung, sich Bestätigung für eigene Einstellungen zu suchen. Wissenschafter sprechen von Echoräumen, die so organisiert sind, dass die eigene Meinung stets zurückkommt und wiederholt wird, weil ohnehin alle ähnlich denken. Genau das ermöglichen soziale Netzwerke: Zersplittert in viele kleine Gruppen bleibt man unter sich und verwöhnt sich mit Likes. Gerade jetzt, wo die Zukunft ungewiss und der Veränderungsdruck enorm ist, fühlt es sich gut an, „daheim“zu bleiben, es sich im Kreis der Vertrauten gemütlich einzurichten und zu glauben, die ganze Welt tickt so wie man selbst.
Wappnet uns das für die Zukunft? Die Welt ist weder schwarz noch weiß. Sie war noch nie so bunt und vielfältig wie heute. Um das als Chance zu begreifen, muss man aus der komfortablen Welt der Selbstbestätigung ausbrechen: Bildung, Forschung, Innovation – all das funktioniert nur, wenn man genügend mit dem „Anderen“konfrontiert wird, zu zweifeln beginnt und Fragen stellt. All das ist in Gefahr, wenn wir uns in digitaler Eigenbrötlerei verheddern. Wir brauchen daher neue Algorithmen im Internet, die Brücken bauen, ungewöhnliche Ideen und neuartige Verbindungen etablieren. Das wäre eine echte Innovation. WWW.SALZBURG.COM/GEWAGTGEWONNEN
Gertraud Leimüller leitet ein Unternehmen für Innovationsberatung in Wien und ist stv. Vorsitzende der creativ wirtschaft austria.