Ein Brandanschlag macht noch kein Nazi-Land
Vorschlag zur Beruhigung: Wie wäre es, etwas weniger von der Spaltung der Gesellschaft zu fantasieren?
Werden Österreichs Regierungspolitiker für die neuerdings restriktivere Asylpolitik kritisiert, so kontern sie gern mit dem Satz: „Bei uns brennen dafür keine Asylquartiere.“Im Gegensatz etwa zu Deutschland. Seit Mittwoch können Österreichs Politiker diesen Satz nicht mehr sagen. An diesem Tag brannte das erste Asylquartier. Es war Brandstiftung. Gottlob war das Quartier noch nicht bewohnt.
Trotz dieser verwerflichen Tat sei vor übereilten Schlüssen gewarnt. Eine Brandstiftung macht noch nicht den angewandten Fremdenhass salonfähig, eine Brandstiftung macht aus Österreich noch kein Nazi-Land. Der Zündler, wer immer er war, repräsentiert den äußersten und finstersten Saum unserer Gesellschaft. Einen äußeren und finsteren Saum, wie man ihn in jeder Gesellschaft findet.
Im abgeschlossenen Präsidentschaftswahlkampf (der da und dort übrigens munter weitertobt, Stichwort: Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung) war viel zu viel von der angeblichen Spaltung Österreichs die Rede. Der Brandanschlag auf die oberösterreichische Asylunterkunft könnte diese Spaltungsfantasien weiter beflügeln. Höchste Zeit, die Stopptaste zu drücken. Dieser Appell richtet sich nicht nur an rechte Populisten, die in jedem Asylbewerber eine Gefahr für Österreichs Sicherheit und Identität wittern. Er richtet sich auch an jene, die einen offensichtlichen Versprecher des neuen Kanzlers im Zusammenhang mit den Flüchtlingszahlen nutzen, die Regierungsarbeit zu diskreditieren, noch ehe sie in der neuen Führungskonstellation Fahrt aufnehmen konnte. Und er richtet sich an jene, die Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenzählung zum Anlass nehmen, dem neu gewählten Bundespräsidenten die Legitimation abzusprechen.
Österreich ist nach dieser Wahl nicht so gespalten, wie die diversen Übertreibungskünstler tun. Und es ist nach diesem Brandanschlag nicht so böse, wie es manche zeichnen. Unsere Zivilgesellschaft hat über Monate den zu Zehntausenden hereinströmenden Migranten ein freundliches Gesicht gezeigt, ihnen tatkräftig geholfen. Österreichs Regierung hat – bei allen Fehlern, die ihr unterliefen – die Zugewanderten mit Essen, Unterkunft, Taschengeld, ärztlicher Pflege versehen, auf Kosten der Allgemeinheit und ohne zu murren. Alles Selbstverständlichkeiten, alles nicht der Rede wert? Gewiss. Die Selbstverständlichkeiten werden dann der Rede wert, wenn sie Gefahr laufen, wegen eines verbrecherischen Brandanschlags in Vergessenheit zu geraten.