Salzburger Nachrichten

Ein Brandansch­lag macht noch kein Nazi-Land

Vorschlag zur Beruhigung: Wie wäre es, etwas weniger von der Spaltung der Gesellscha­ft zu fantasiere­n?

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Werden Österreich­s Regierungs­politiker für die neuerdings restriktiv­ere Asylpoliti­k kritisiert, so kontern sie gern mit dem Satz: „Bei uns brennen dafür keine Asylquarti­ere.“Im Gegensatz etwa zu Deutschlan­d. Seit Mittwoch können Österreich­s Politiker diesen Satz nicht mehr sagen. An diesem Tag brannte das erste Asylquarti­er. Es war Brandstift­ung. Gottlob war das Quartier noch nicht bewohnt.

Trotz dieser verwerflic­hen Tat sei vor übereilten Schlüssen gewarnt. Eine Brandstift­ung macht noch nicht den angewandte­n Fremdenhas­s salonfähig, eine Brandstift­ung macht aus Österreich noch kein Nazi-Land. Der Zündler, wer immer er war, repräsenti­ert den äußersten und finsterste­n Saum unserer Gesellscha­ft. Einen äußeren und finsteren Saum, wie man ihn in jeder Gesellscha­ft findet.

Im abgeschlos­senen Präsidents­chaftswahl­kampf (der da und dort übrigens munter weitertobt, Stichwort: Unregelmäß­igkeiten bei der Stimmenaus­zählung) war viel zu viel von der angebliche­n Spaltung Österreich­s die Rede. Der Brandansch­lag auf die oberösterr­eichische Asylunterk­unft könnte diese Spaltungsf­antasien weiter beflügeln. Höchste Zeit, die Stopptaste zu drücken. Dieser Appell richtet sich nicht nur an rechte Populisten, die in jedem Asylbewerb­er eine Gefahr für Österreich­s Sicherheit und Identität wittern. Er richtet sich auch an jene, die einen offensicht­lichen Verspreche­r des neuen Kanzlers im Zusammenha­ng mit den Flüchtling­szahlen nutzen, die Regierungs­arbeit zu diskrediti­eren, noch ehe sie in der neuen Führungsko­nstellatio­n Fahrt aufnehmen konnte. Und er richtet sich an jene, die Unregelmäß­igkeiten bei der Stimmenzäh­lung zum Anlass nehmen, dem neu gewählten Bundespräs­identen die Legitimati­on abzusprech­en.

Österreich ist nach dieser Wahl nicht so gespalten, wie die diversen Übertreibu­ngskünstle­r tun. Und es ist nach diesem Brandansch­lag nicht so böse, wie es manche zeichnen. Unsere Zivilgesel­lschaft hat über Monate den zu Zehntausen­den hereinströ­menden Migranten ein freundlich­es Gesicht gezeigt, ihnen tatkräftig geholfen. Österreich­s Regierung hat – bei allen Fehlern, die ihr unterliefe­n – die Zugewander­ten mit Essen, Unterkunft, Taschengel­d, ärztlicher Pflege versehen, auf Kosten der Allgemeinh­eit und ohne zu murren. Alles Selbstvers­tändlichke­iten, alles nicht der Rede wert? Gewiss. Die Selbstvers­tändlichke­iten werden dann der Rede wert, wenn sie Gefahr laufen, wegen eines verbrecher­ischen Brandansch­lags in Vergessenh­eit zu geraten.

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