Die Beziehung mit dem Partner kann kompliziert sein
Länder wie Norwegen oder die Schweiz haben vielschichtige Verbindungen zur EU. Das könnte auch den Briten blühen.
Sollten die Briten am 23. Juni für einen Austritt aus der EU stimmen, werde es keine Sonderbehandlung mehr geben, kündigte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an. Großbritannien werde „wie ein Drittstaat“behandelt. So weit eine klare Ansage, würde die Bezeichnung Drittstaat nicht erst recht für Unklarheit sorgen. Die eine Behandlung für Drittstaaten gibt es nämlich nicht. Die Beziehungen zu Ländern außerhalb der EU sind unterschiedlich. Salopp formuliert: Je enger die Verbindung, desto komplizierter.
Die Briten wollen auch in Zukunft eine enge Beziehung, zumindest wirtschaftlich. Schließlich ist die EU der wichtigste Handelspartner für das Königreich. Modelle für eine solch enge Partnerschaft können sich die Briten bei EU-Nachbarn abschauen. Als gutes Beispiel dienen die Schweiz und Norwegen, die den gewünschten breiten Zugang zum EU-Binnenmarkt haben.
Beide Beziehungen sind kompliziert. Sowohl Norwegen als auch die Schweiz sind Mitglied der Europäischen Freihandelszone (EFTA). Sie treiben innerhalb der Gemeinschaft, in der nach der Gründung und Erweiterung der EU nur vier Länder verblieben sind, verstärkten Handel. Außerdem schließen sie gemeinsam Freihandelsabkommen. Stephanie Pack berichtet für die SN aus Brüssel Im Gegensatz zur Schweiz ist Norwegen darüber hinaus Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Dem gehören neben den 28 EU-Ländern auch die beiden übrigen EFTA-Staaten Island und Liechtenstein an. Über das EWR-Abkommen ist Norwegen eng mit der EU verbunden. Das Land hat Zugang zum Binnenmarkt, muss im Gegenzug aber die vier Grundfreiheiten der EU anerkennen – also auch den freien Personenverkehr, der den Briten ein Dorn im Auge ist.
Völlig gleichgestellt ist Norwegen in Handelsfragen nicht mit den EUMitgliedern. Beim Marktzugang gibt es eine Beschränkung für Produkte aus Landwirtschaft und Fischerei. Was in die EU exportiert wird, wird weiterhin kontrolliert. Entweder sind die Produkte im Europäischen Wirtschaftsraum produziert worden oder sie müssen einem Katalog von mehreren Hundert Kriterien entsprechen.
Im Gegenzug zum (eingeschränkten) Zugang zum EU-Markt muss Norwegen eine Reihe von EU-Gesetzen übernehmen. Das reicht von den Regeln des Binnenmarkts über Beihilfenrecht, Verbraucherschutz und Umweltstandards bis zu Arbeitszeitgesetzen. Und weil sich Norwegen freiwillig dem SchengenRaum und der polizeilichen Zusammenarbeit angeschlossen hat, muss es auch hier den Regeln genügen.
Insgesamt hat Norwegen drei Viertel der EU-Gesetze in sein eigenes Recht übernommen. Das ergab ein Bericht, den die norwegische Regierung 2012 in Auftrag gegeben hat. Er trägt den passenden Namen „Outside and Inside“. So sehr das Land mit der EU verbunden ist, in einem wesentlichen Teil bliebt es außen vor: Wenn es um den Beschluss jener Gesetze geht, die es zu drei Viertel übernimmt.
Dass Norwegen kein Stimmrecht hat, aber gleichzeitig an die Regeln gebunden ist, wird in dem Bericht von 2012 als „problematisch“und „demokratisches Defizit“beurteilt. Als gravierenden Nachteil sieht das auch die britische Regierung, die in einem aktuellen Papier „Alternativen zur Mitgliedschaft“analysiert.
Regeln übernehmen, die man nicht mitverhandelt hat, das würde den Briten auch nach dem Schweizer Modell nicht erspart bleiben. Anders als Norwegen ist die Schweiz nicht durch das EWR-Abkommen an die EU gebunden, sie hat ihre Beziehungen zur Union über ein dichtes Netz von Einzelabkommen geknüpft. Mittlerweile sind es mehr als 120 Abkommen, die den Marktzugang zu einzelnen Sektoren regeln. Wo die Schweiz am EU-Binnenmarkt mitmischen will, muss sie auch die Regeln akzeptieren – ebenfalls ohne Stimmrecht.
Was für die Briten das Modell der Norweger und Schweizer ebenfalls nicht attraktiver macht: Beide Länder zahlen Beiträge an EU-Länder oder in Förderprogramme der EU. Zudem gelten für sie die Handelsabkommen, die von der EU mit Dritten geschlossen werden, nicht. Insgesamt kommt das Papier der britischen Regierung – die sich offiziell für den Verbleib in der EU ausspricht – zu dem Schluss: Kein existierendes Modell außerhalb der EU könne dieselbe Balance von Vorteilen und Einfluss gewährleisten, die Großbritannien durch seinen derzeitigen Status in der EU hat.