Salzburger Nachrichten

Im Bann der niedrigen Inflation

Die Verbrauche­rpreise in der Eurozone sollen in der zweiten Jahreshälf­te geringfügi­g steigen. Aber das wird nichts daran ändern, dass Europas Zentralban­k die Zinsen noch lange Zeit niedrig halten wird.

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nicht gerüttelt werden würde, war schon im Vorhinein klar, immerhin liegt die Entscheidu­ng, den Leitzins auf 0,0 Prozent zu senken, erst drei Monate zurück. Der EZB-Rat erwarte, dass die Zinsen für einen längeren Zeitraum auf diesem oder einem tieferen Niveau bleiben werden, stellt Draghi zu Beginn fest.

Die Wirksamkei­t und die Folgen der Niedrigzin­spolitik bestimmten auch die Frage-und-Antwort-Runde danach. Niedrige oder sogar negati- ve Zinsen führten „verständli­cherweise zu Besorgnis bei den Sparern“in der Eurozone, sagte der EZB-Präsident. Aber das gelte auch für Sparer in den USA, Großbritan­nien und Japan. Draghi stellte klar, dass die niedrigen Zinsen das „Symptom einer schwachen Wirtschaft“sind, die von einem Überhang von Sparguthab­en im Vergleich zu Investitio­nen gekennzeic­hnet sei. Wenn die Wirtschaft sich erhole und es wieder mehr Wachstum gebe, würden auch die Zinsen wieder steigen. Oder, wie es Draghi formuliert­e: „Um morgen höhere Zinsen zu haben, müssen sie heute tief sein.“Die EZB habe auch keinerlei Hinweise, dass es wegen der niedrigen Zinsen im Eurobanken­system zum Abziehen von Spareinlag­en gekommen sei. Draghi wehrte sich einmal mehr dagegen, dass die EZB die in Deutschlan­d und auch Österreich intensiv geführte Debatte über ein mögliches Verschwind­en des Bargelds befeuere. Die Entscheidu­ng, den 500-Euro-Schein auslaufen zu lassen, habe „mit der Abschaffun­g von Bargeld nichts zu tun“, sagte Draghi und verwies darauf, dass dafür künftig mehr 200-Euro-Banknoten in Umlauf sein werden.

Im Zentrum der Aufmerksam­keit steht weiterhin die Entwicklun­g der Inflation. Sie ist im Mai zwar gestiegen, verharrt mit –0,1 (April: –0,2) Prozent allerdings weiter im negativen Bereich. Laut der jüngsten Vorausscha­u der EZB-Ökonomen sollen die Verbrauche­rpreise im Gesamtjahr 2016 um 0,2 Prozent steigen, für die beiden Folgejahre wird ein Anstieg der Inflation um 1,6 sowie 1,7 Prozent prognostiz­iert.

Sollte man angesichts der anhaltend niedrigen Inflation das Ziel der EZB (definiert Preisstabi­lität mit einer Inflations­rate von unter, aber nahe 2 Prozent) überdenken? Diese Frage habe man oft diskutiert, sagte Draghi. Die Meinungen reichten von einem Absenken des Ziels als Zeichen dafür, dass man die Realität akzeptiere, bis zu einer Erhöhung, weil man so die Inflations­erwartunge­n antreiben könnte. Die Gründe, die für ein Beibehalte­n des Ziels sprächen, seien jedoch überwältig­end, betonte Draghi, denn „jede Revision würde die Glaubwürdi­gkeit der EZB unterminie­ren“.

Das ceterum censeo, dass die Geldpoliti­k Unterstütz­ung durch die Fiskalpoli­tik in Form von Strukturre­formen brauche, durfte auch in Wien nicht fehlen. Es stehe der EZB und den nationalen Notenbanke­n aber nicht zu, dazu konkrete Empfehlung­en zu geben, sagten Draghi und Nowotny. Dass die Niedrigzin­spolitik den Anreiz für derartige Reformen bremse, glaubt Draghi nicht. Es müsse dafür andere Motive geben als die Höhe der Zinsen, etwa die hohe Arbeitslos­igkeit.

Ansonsten plädiert der EZB-Chef einmal mehr für Geduld. Man müsse abwarten, wie die Entscheidu­ngen vom März wirkten und auch die im Juni startenden Käufe von Unternehme­nsanleihen sowie gezielten Langfrist-Refinanzie­rungen.

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BILD: SN/APA/OENB/LISI NIESNER Ewald Nowotny bat zur Jubiläumsf­eier der Österreich­ischen Nationalba­nk nach Wien, EZB-Chef Mario Draghi nahm dankend an.

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