Hinter den Kulissen der Konsumentenschützer
Sie überprüfen Lebensmittel, Hautcremen, Finanzprodukte oder auch Fitnessgeräte auf ihre Tauglichkeit. Wie die Tests ablaufen.
WIEN. Die Fußball-Europameisterschaft steht vor der Tür. Aber nicht nur die heimische Nationalmannschaft bereitet sich akribisch auf das Großereignis vor, auch beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) wurden bereits fleißig Produkte untersucht, die Fans zu sich nehmen und unter dem Begriff „Fußballer-Menüs“zusammengefasst werden. So wurden Chips, Erdnuss-Snips und Salzbrezeln untersucht, aber auch Radler gekostet. Das Ergebnis: Das Knabbergebäck ist großteils nur durchschnittlich.
„Wir haben im Haus ein kleines Labor, in dem wir auf Zucker, Farbstoffe, Kalzium und Magnesium untersuchen können“, erzählt die Ernährungswissenschafterin Nina Siegenthaler. Die 36-Jährige arbeitet seit zwölf Jahren für den VKI und ist eine von drei Lebensmittelprüferinnen. Ihren Arbeitsalltag beschreibt sie als bunt und abwechslungsreich. „Jeder Test ist neu und anders. Langweilig wird uns nie.“
Ob Babynahrung, Sojadrinks, Wein, Speiseeis, Salat oder Gummibärli – bei Bedarf oder auf Anregung von Konsumenten werden die verschiedensten Produkte untersucht. In regelmäßigen Abständen fänden Sitzungen statt, in denen festgelegt werde, welche Tests durchgeführt würden, sagt Siegenthaler. Ihre Aufgabe sieht sie in der Projektierung und Koordination: Sie muss überlegen, wie lange die Tests dauern werden und ob sie machbar sind. Sie kauft die Lebensmittel ein und lässt sie zunächst im hauseigenen Labor überprüfen oder in einem von vier unabhängigen Labors in Österreich, mit denen der VKI zusammenarbeitet. Danach geht es an die Blindverkostung der Waren. Diese erfolgt zumeist im Haus, zwölf bis 15 Kollegen werden dafür ausgewählt. Sie beurteilen das Produkt nach Geschmack, Aussehen, Geruch und Konsistenz. In Ausnahmefällen, etwa bei Olivenöl, erfolgt eine Expertenverkostung im Ausland. Siegenthaler interpretiert schließlich alle Ergebnisse und schreibt einen Untersuchungsbericht, der im Testmagazin „Konsument“veröffentlicht wird.
Szenenwechsel in die schon in die Jahre gekommene Prüfungshalle. Dort werden unter anderem Crashtests für Skihelme und sonstige Sicherheitseinrichtungen durchgeführt. Küchenkleingeräte werden ausgehöhlt und manipuliert. Joti Bomrah hat hier ihren Arbeitsplatz. Die 28-jährige angehende Wirtschaftsinformatikerin überprüft für den VKI neue Medien. Dazu gehören Computer, Smartphones, Unterhaltungselektronik, Navis, Action-Kameras und TV-Geräte. Da die Anbieter überwiegend Weltkonzerne sind, führt der VKI die Tests nicht allein durch, sondern in Gemeinschaft mit anderen europäischen Verbraucherorganisationen wie der Stiftung Warentest in Deutschland. Auch mit der Technischen Universität Wien wird zusammengearbeitet. „Das Testprogramm ändert sich extrem schnell“, erzählt Bomrah über die TV-Tests.
Lag früher der Fokus auf Bildqualität und Empfang, so stehen heute Datenschutz, Sicherheitsprobleme und Betriebssysteme im Mittelpunkt. „Der Fernseher ist ein multimediales Gerät geworden.“Einzelne Unternehmen brächten bis zu 30 Modelle pro Monat auf den Markt, die sich technisch kaum voneinander unterschieden, kritisiert Bomrah. Viele Verbraucheranfragen bekomme sie darüber, wie analoge mit digitalen Geräten verknüpft werden könnten, etwa der alte Videorekorder mit dem neuen Flachbildfernseher.
Wichtig sei in ihrem Job, am Puls des Markts zu bleiben. Bomrah verschafft sich einen Überblick auf Messen, geht zu Produktpräsentationen, zerlegt die Produkte und überprüft sie auf ihre Praxistauglichkeit. „Wir treten wie Konsumenten auf, schlüpfen quasi in ihre Rolle“, erklärt Bomrah.
Ganz anders müssen die VKIFinanzexperten ans Werk gehen. Ihr Büro besteht aus einem Computer und viel Fachliteratur. Es ist die Welt von Lebensversicherungen, Bausparverträgen, Anleihen, Aktienfonds, Kurswetten, Gebühren für Kontoüberziehungen und Kreditzinsen. Bernd Lausecker, VKI-Projektleiter für Finanzdienstleistungen, schickt aber auch „Testkunden“zu Banken und lässt prüfen, ob sie fachgerecht beraten werden.
Viel Zeit müssen die vier Finanzfachleute für die Änderung von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aufwenden, die überwiegend verklausuliert und für Konsumenten unverständlich formuliert werden. „Verbraucher sind nur dann auf Augenhöhe, wenn es objektive Parameter und Informationen gibt, um ein Produkt einschätzen zu können“, betont der 50-jährige Bankfachwirt, der 20 Jahre lang bei Banken sein Geld verdiente, bevor er im Jahr 2004 die Fronten wechselte. Er sieht sich und seine Kollegen als Übersetzer, in einer Vermittlerrolle. Denn Bankbedienstete und Versicherungsvertreter hätten Zielvorgaben und stünden massiv unter Verkaufsdruck, sagt Lausecker. Was dazu führe, dass für den Kunden wichtige Informationen gern unausgesprochen blieben.
Der VKI veröffentlichte im Vorjahr 115 Tests und Reports in diversen Bereichen. Überprüft werden auch Kosmetika, Gesundheitsund Haushaltswaren.
„Objektive Informationen sind gefragt.“ Bernd Lausecker, VKI-Bankfachwirt „Jeder Test ist neu und anders.“Nina Siegenthaler, VKI-Ernährungsexpertin