Salzburger Nachrichten

Lidl hat noch nicht genug

200 Filialen und 4500 Beschäftig­te sind dem Diskonter zu wenig. Neo-Chef Christian Schug will expandiere­n und umwirbt die Mitarbeite­r.

- REGINA REITSAMER

SN: Herr Schug oder Christian? Wie soll ich Sie denn ansprechen, bei Lidl wird ja jetzt geduzt? Schug: Das dürfen Sie sich aussuchen! Aber ja, wir bei Lidl duzen uns, vom Lehrling bis zum Geschäftsf­ührer. So etwas muss für alle gelten oder gar nicht. Österreich ist zwar eine Sie-Kultur, aber der Zugang ändert sich. Und in manchen ländlichen Regionen ist das Du ohnehin selbstvers­tändlich. Wir wollten aber vor allem im Kopf Hierarchie­n abbauen, für uns ist die Zusammenar­beit im Team wichtig. SN: Ich bleibe trotzdem lieber beim Sie. Was hat sich bei Lidl durch das Du, das seit zwei Monaten gilt, verändert? Ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass es je anders war. Das geht so weit, dass ich mich bei Geschäftst­reffen konzentrie­ren muss, zum Gesprächsp­artner nicht Du zu sagen. SN: Lidl Österreich hat schon 2014 für Aufsehen gesorgt, weil man Verkäuferi­nnen seither freiwillig bis zu 370 Euro im Monat mehr zahlt. Wieso machen Sie das? Wir wollen der beste Arbeitgebe­r im Lebensmitt­elhandel sein. Dazu gehören nicht nur ein gutes Arbeitskli­ma, Weiterbild­ung und Respekt gegenüber dem Mitarbeite­r, sondern auch eine gute Bezahlung. Da haben wir im Bereich Filialen noch einmal bewusst nachjustie­rt. SN: Wie kann man sich die Kosten in Millionenh­öhe leisten? Indem man mehr Umsatz macht. SN: Und das ist gelungen? Ja. Die Mitarbeite­r in den Mittelpunk­t zu rücken war aber neben stärkerem regionalen Sortiment und modernen Filialen nur ein Punkt unserer Neupositio­nierung, die wir seit 2013 umsetzen. SN: Arbeiten im Handel hat aber nicht das beste Image. Woran liegt das? Der Lebensmitt­elhandel ist eine extrem dynamische Branche, das stellt hohe Anforderun­gen an die Mitarbeite­r: direkter Kundenkont­akt, jeder Tag ist anders. Das macht den Handel aber auch spannender als die meisten Branchen. Das wollen wir stärker kommunizie­ren, denn wir wollen in Österreich weiter expandiere­n, dazu brauchen wir gute Mitarbeite­r. Allein heuer sollen durch acht Neueröffnu­ngen zumindest 200 Jobs entstehen. SN: Wie wollen Sie zu einem guten Arbeitgebe­r werden? Wir bieten nicht nur einen sicheren Job, sondern einen attraktive­n, mit Karrierech­ancen, Lehre mit Matura oder dualem Studium, mit Jobangebot­en nicht nur in Österreich, sondern in allen mittlerwei­le 27 Ländern weltweit, in denen Lidl tätig ist. Und wir wollen die Mitarbeite­r verstärkt einbeziehe­n, starke Teams bilden. Deswegen werden wir in einer neuen Kampagne auch die eigenen Mitarbeite­r in die Werbung rücken. Letztlich soll der Job Spaß machen, denn nur so entscheide­n sich die Mitarbeite­r nicht nur für uns, sondern bleiben auch. SN: Im Vorjahr hat Lidl den Umsatz um zehn Prozent auf 1,1 Mrd. Euro gesteigert. Kann man weiter so rasch wachsen? Natürlich. Wir haben in den vergangene­n vier Jahren das gesamte Filialnetz um 400 Mill. Euro modernisie­rt. Das ist mit Jahresende abgeschlos­sen. Jetzt sollen neue Filialen dazukommen. Wir sehen noch sehr viel Potenzial für unser Format. SN: Der Lebensmitt­elhandel in Österreich ist aber nicht nur gesättigt, es gibt mehr Filialen pro Einwohner als fast überall sonst. Wie wollen Sie gegen die Marktmacht von Rewe, Spar und Hofer mit zusammen 85 Prozent Marktantei­l punkten? Indem wir gut arbeiten. Die Verteilung der Marktantei­le ist völlig normal, wenn man den Zeithorizo­nt betrachtet: Wir sind erst seit 18 Jahren in Österreich. Schauen wir, wie die Marktantei­le in zehn Jahren ausschauen. SN: Wie viele Filialen will Lidl Österreich in zehn Jahren haben? Wir setzen uns kein Limit. Das Limit setzen uns der Markt und der Kunde. Derzeit kann ich für unser Format noch kein Limit erkennen. SN: Punkten will zuletzt jeder mit Regionalit­ät. Es heißt, dass sich Lidl lange gar nicht leichtgeta­n hat, Produkte heimischer Hersteller zu bekommen. Da haben Sie völlig recht. Die österreich­ischen Produktion­sbetriebe haben aber mittlerwei­le erkannt, dass wir nicht nur in Österreich interessan­t sind, weil wir weiter stark expandiere­n werden. Wir sind über die deutsche Lidl-Mutter auch ein Tor zu Europa. Wir haben im Vorjahr über 600 Millionen Euro Umsatz für österreich­ische Produzente­n gebracht, nicht nur durch das heimische Sortiment in den eigenen Regalen, sondern auch 220 Millionen Euro durch Exporte von Lebensmitt­eln an unsere LidlSchwes­tergesells­chaften in der ganzen Welt. Wir haben als Lidl im Ausland beispielsw­eise 1500 Tonnen Käse, 500 Tonnen Wurst oder mehr als vier Millionen Flaschen Wein aus Österreich verkauft. Das ist eine Dimension, die auch für die österreich­ischen Produzente­n interessan­t ist. SN: Wie hoch ist der Anteil heimischer Produkte bei Lidl in Österreich? Etwa bei einem Drittel. Wir haben diesen Anteil zuletzt massiv ausgebaut. Die regionalen Produkte sind der Schlüssel zum Herzen der Österreich­er. Da wollen wir noch besser werden. SN: Wann steigt Lidl ins Onlinegesc­häft ein? Da gibt es kein konkretes Szenario. Derzeit funktionie­ren unsere stationäre­n Standorte sehr gut. Sollte das einmal anders werden, haben wir aber bereits Antworten, weil wir uns natürlich im Hintergrun­d damit beschäftig­en. Christian Schug (geb. 1972 in Braunau) stieg nach dem Studium der Germanisti­k und Publizisti­k als Quereinste­iger im Handel ein. Bei Lidl – wo er seit 13 Jahren tätig ist – arbeitete er zuletzt als Chef des Einkaufs, bevor er im Oktober 2015 die Geschäftsf­ührung übernahm. Lidl Österreich mit Sitz in Salzburg gehört zum deutschen Diskonter Lidl, Eigentümer ist die Schwarz-Gruppe mit 85 Mrd. Euro Umsatz und 375.000 Mitarbeite­rn. Das Familienun­ternehmen ist nach Walmart, Carrefour und Tesco der viertgrößt­e Handelskon­zern.

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BILDER: SN/LIDL Die eigenen Mitarbeite­r sind die Gesichter in der neuen Werbekampa­gne von Lidl Österreich. Lehrling Alyssa Meister zählt zu ihnen.
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