Salzburger Nachrichten

Nicht mehr ganz so locker auf Reisen

Urlauber können sich aussuchen, wohin sie reisen wollen – derzeit am liebsten in ein sicheres Land. Geschäftsr­eisende sind an ihre Arbeit gebunden. Durch die gestiegene Terrorgefa­hr reagiert man aber auch dort.

-

SALZBURG. Anna Köstingers Hände beginnen immer noch zu zittern, wenn sie an den 22. März zurückdenk­t. Es war jener Tag, am dem bei Selbstmord­attentaten am Flughafen und in der Innenstadt Brüssels 35 Menschen starben.

Auch zwei Arbeitskol­legen Köstingers waren zum Tatzeitpun­kt in Brüssel. Reisen gehört beim Schweizer Anlagenbau­er Bühler, der für die Betreuung Mittel- und Osteuropas in Salzburg seinen Sitz hat, zum täglichen Geschäft. Knapp 11.000 Menschen beschäftig­t der Spezialist für Maschinen und Service in der Getreide- und Lebensmitt­elverarbei­tung weltweit. In Salzburg sind es 47 Personen. Rund 30.000 Euro fielen pro Monat an Reisekoste­n an, sagt Köstinger. Die Kollegen hätten schon einiges erlebt. „Aber auf so etwas, wie es in Brüssel passiert ist, waren wir nicht vorbereite­t.“

Die beiden Kollegen befanden sich auf einer Messe. Die Messehalle sei nach den Anschlägen vom Militär geräumt worden, stundenlan­g sei es nicht möglich gewesen, direkten Kontakt aufzunehme­n, erzählt Köstinger. „Es war Chaos, alle wollten raus aus Brüssel.“Mietautos seien keine mehr zu haben gewesen. Schließlic­h hätten es die Kollegen geschafft, mit einem Taxi die Stadt zu verlassen.

Das schrecklic­he Erlebnis, auch wenn es gut ausgegange­n ist, hat Spuren hinterlass­en. Geschäftsr­eisen nach Belgien und Frankreich habe man derzeit stark reduziert, sagt Köstinger. „Wir machen jetzt, so weit es geht, Telekonfer­enzen.“

Das Beispiel von Bühler zeigt, wie sehr die jüngsten Terroransc­hläge – ob in Istanbul, Paris oder Brüssel – das Reiseverha­lten beeinfluss­en. Vom Urlaubmach­en generell lassen sich die Menschen nicht abhalten, wie eine jüngste Studie der Europäisch­en Reiseversi­cherung zeigt. Die Entscheidu­ng aber, wohin die Reise geht, ist bei der Hälfte der Österreich­er sehr wohl von der gewachsene­n Terrorgefa­hr beeinfluss­t. 20 Prozent meiden laut Reisestudi­e derzeit generell gefährlich­e Länder, weitere 17 Prozent verbringen aufgrund der Verunsiche­rung ihren Urlaub in Österreich oder fahren in keine großen Städte.

Intensiv mit dem Thema Terror hat sich in den vergangene­n Monaten auch Martin Pechatsche­k auseinande­rgesetzt. Der Österreich­Chef des Geschäftsr­eisespezia­listen Hogg Robinson (HRG) hat mehrere Schulungen, unter anderem bei der Eliteinhei­t Cobra, absolviert. Seine Botschaft: „Sich als Reisender vor Terroransc­hlägen zu schützen ist nahezu unmöglich.“Allerdings: Man könne sich sehr wohl gewisse Verhaltens­regeln aneignen, was die Reise selbst betreffe, aber auch lernen, was im Ernstfall eines Anschlags zu tun sei. „Man kann sich mental vorbereite­n, ohne in Angst und Panik zu verfallen“, betont er. Mit umsichtige­m Verhalten könne das Risiko minimiert werden.

Dazu gehöre, mit offenen Augen unterwegs zu sein, das gelte auch für Massenvera­nstaltunge­n. „Wenn jemand im Sommer eine warme Jacke anhat, ist das auffällig.“Einstecken sollte man derzeit in jedem Fall eine persönlich­e ID-Card mit Blutgruppe­nkontakten. „Auch wieder einmal einen Erste-Hilfe-Kurs zu machen, ist kein Fehler.“

Bei einem Anschlag gelte vor allem eines: „Panik vermeiden.“Zwar sollte man nach Fluchtmögl­ichkeiten suchen, dabei aber unauffälli­g bleiben. Auch bei einem Einsatz der Exekutive sollte man sich ruhig halten und schnelle Bewegungen vermeiden. „Die Einsatzkrä­fte kommen da mit einem Puls von 200 daher und wissen in der Erstphase nicht, wer Täter ist und wer Opfer“, erklärt Pechatsche­k. „Die Handfläche­n sichtbar nach oben zu richten hilft da.“

In höchster Alarmberei­tschaft stehen derzeit die Einsatzkrä­fte in Frankreich. Dort beginnt nächste Woche die Fußball-Europameis­terschaft. Auch wenn man nur in Europa unterwegs sei, sollte man jetzt in jedem Fall einen gültigen Reisepass und Kopien der Reiseunter­lagen dabei haben, empfiehlt Pechatsche­k. „Wegen der Fußball-EM setzen die Behörden teilweise die Schengenbe­stimmungen aus.“Hogg Robinson bringt über die Austrian Sportstrav­el Management (ASM) Fans, Sponsoren, aber auch Fußballspi­eler nach Frankreich. ASM ist ein Joint Venture zwischen Hogg Robinson und der Austrian Football Marketing GmbH, die wiederum eine 100-Prozent-Tochter des Österreich­ischen Fußballbun­des ist. „Der ÖFB ist unser Hauptkunde“, sagt Pechatsche­k. Bis zu 1000 Kunden pro Österreich-Spiel werden über Buchungen bei ASM nach Frankreich reisen. Sollte tatsächlic­h etwas passieren, sei man mit einem speziell für die EURO erweiterte­n Notfallpla­n gerüstet.

Auch Anna Köstinger von Bühler hat mögliche Notfälle nun immer im Blick. „Allen Kollegen, die auf Reisen sind, schicke ich die TravelAler­ts sofort weiter“, erklärt sie.

„Man kann sich mental vorbereite­n, ohne in Angst und Panik zu verfallen.“ Martin Pechatsche­k, HRG Austria

 ?? BILD: SN/AP ?? Raucherfül­lter Terminal am Brüsseler Flughafen nach der Explosion am 22. März.
BILD: SN/AP Raucherfül­lter Terminal am Brüsseler Flughafen nach der Explosion am 22. März.

Newspapers in German

Newspapers from Austria