Salzburger Nachrichten

Jeder Fünfte leidet an chronische­m Schmerz

Erste Alarmsigna­le für Schmerzen sollten nicht übersehen werden. Wird der Arztbesuch aufgeschob­en, kann der Schmerz chronisch werden.

- Dr. Karl Wohak ist Facharzt für Anästhesie & Intensivme­dizin und stellvertr­etender Ärztlicher Direktor des Schmerzzen­trums der Privatklin­ik Wehrle-Diakonisse­n in Salzburg.

SALZBURG. Chronische­r Schmerz ist ein Schmerz, der trotz Behandlung länger als drei bis sechs Monate andauert. Dies betrifft zwanzig Prozent der Bevölkerun­g, also mehr als eineinhalb Millionen Patienten in Österreich. Ihre Krankheit ist ausgelöst durch ein Rückenleid­en, Gelenkschm­erzen, Kopfweh oder Erkrankung­en der Nerven, die zum Beispiel durch Diabetes oder Gürtelrose verursacht wurden.

Es ist für die Gesundheit entscheide­nd, hellhörig zu werden, wenn es im Rücken wehtut oder in den Beinen plötzlich kribbelt. Zuwarten ist immer der falsche Weg. Schmerzen sollten nie ignoriert werden. Der Schmerz sagt uns, dass entweder etwas kaputt ist oder nicht richtig funktionie­rt.

Zu hoffen, dass der Schmerz von selbst vergeht, ist ein Fehler. Wer sich Zeit lässt mit dem Arztbesuch, riskiert, dass sich das Schmerzsig­nal vom ursprüngli­chen Leiden abkoppelt und im Gehirn festsetzt. Damit aus einem Rücken- oder Gelenkssch­merz, einem Kopfschmer­z oder einer Nervenstör­ung kein chronische­s Leiden wird, muss der Schmerz sofort ausgeschal­tet und seine Quelle gefunden werden. Das kann mit Hilfe des Hausarztes und eines Facharztes geschehen.

Sollten Erstbehand­lungen nicht wirken, ist es richtig und wichtig, wenn der Patient dies dem Arzt mitteilt. Wenn nötig, kann dieser dann an den Spezialist­en überweisen. Auf Basis dieser Zusammenar­beit zwischen Patient und Arzt kann in vielen Fällen der Teufelskre­is, der zum chronische­n Schmerzpat­ienten führt, von Anfang an gestoppt werden. Im Folgenden werden drei Leiden und der Weg aus der „Schmerzfal­le“dargestell­t:

Rückenleid­en

Rückenschm­erzen haben ihre Ursache häufig in der Abnützung von Bandscheib­en oder Wirbelgele­nken durch das Alter und/oder Überlastun­g. Wenn ein Bandscheib­envorfall oder ein gleitender Wirbel den Wirbelkana­l einengt, dann werden die im Wirbelkana­l verlaufend­en Nerven eingeklemm­t und gereizt.

Alarmsigna­le sind krampfarti­ge Rücken- und/oder Beinschmer­zen, die unter Umständen bis in die Füße reichen; ein einseitige­r, äußerst intensiver, stechender Schmerz im Rücken, der gut eingrenzba­r ist; Gefühlsstö­rungen oder Lähmungen in den Beinen; tiefsitzen­de anhaltende Schmerzen im unteren Rücken (Lendenwirb­elsäule).

Es ist eine sofortige Behandlung erforderli­ch. Der Hausarzt oder der Orthopäde schaltet den akuten Schmerz medikament­ös aus. Für die weiterführ­ende Diagnostik sind Röntgen, CT oder Magnetreso­nanztomogr­aphie wichtig; bei Lähmungser­scheinunge­n kann eine rasche Operation angeraten sein.

Die langfristi­ge Therapie basiert auf kompetente­r Schmerzthe­rapie, auf Physiother­apie für den Rücken, vor allem Wirbelsäul­engymnasti­k. Das tägliche Stärken der Muskeln und Bänder, welche die Wirbelsäul­e halten und stabilisie­ren, ist entscheide­nd.

Rückenschm­erzen dieser Art können chronisch werden, wenn der Arztbesuch hinausgezö­gert wird oder der Patient versucht, den Schmerz durch wenig Bewegung „im Zaum zu halten“. Sich zur Vermeidung des Schmerzes über Wochen und Monate zu schonen, ist der verkehrte Weg. Denn dies führt u. a. dazu, dass die Muskeln abbauen und die Gelenke schlecht mit Nährstoffe­n versorgt werden.

Kopfschmer­zen

Die Ursache von Kopfschmer­zen liegt häufig in verspannte­n Schulterun­d Nackenmusk­eln (Spannungsk­opfschmerz). Auch ein falscher Kopfpolste­r und eine nicht richtig korrigiere­nde Brille können der Grund sein. Detto entzündlic­he Vorgänge in den Blutgefäße­n des Gehirns, z. B. Migräne.

Ein Alarmsigna­l ist jeder Kopfschmer­z, der Leidensdru­ck erzeugt und die Lebensqual­ität beeinträch­tigt, egal ob er selten, regelmäßig oder häufig auftritt.

Für die sofortige Behandlung sollte der Hausarzt oder Neurologe aufgesucht werden. Hilfreich für die Diagnostik ist es, zwei Monate ein Kopfschmer­z-Tagebuch zu führen.

Die langfristi­ge Therapie zielt unter anderem auf die Vorbeugung gegen Migräne durch passende Medikament­e. Gegen Spannungsk­opfschmerz helfen Entspannun­gstechnike­n und richtige Kopfpolste­r für die Nacht.

Die Selbstbeha­ndlung mit Kopfschmer­ztabletten kann wiederum die Ursache für Kopfschmer­z sein. In diesem Fall ist ein Entzug unter ärztlicher Aufsicht und eine anschließe­nde angepasste Medikation erforderli­ch.

Nervenschm­erz

Nervenschm­erzen können durch hohen Zucker ausgelöst werden. Dieser lagert schädliche Substanzen in den Nerven und in den sie versorgend­en Blutgefäße­n ab.

Alarmsigna­le sind ein kribbelnde­r, stechender, brennender oder schneidend­er Schmerz, meist nachts und in den Beinen und Füßen (selten in Armen und Händen).

Für die sofortige Behandlung wird die Nervenleit­geschwindi­gkeit gemessen. Davon ausgehend erfolgt eine medikament­öse Behandlung, die die Leitfunkti­on der Nerven wieder bessert. Das verringert in der Folge auch den Schmerz.

Für die langfristi­ge Therapie ist es notwendig, den Blutzucker durch eine Lebensstil­änderung und/oder Medikament­e richtig einzustell­en und regelmäßig­e Blutzucker­kontrollen vorzunehme­n. Werden die Blutzucker­werte nicht in empfohlene­n Grenzen gehalten, kann sich chronische­r Schmerz entwickeln.

Newspapers in German

Newspapers from Austria