Salzburger Nachrichten

Der Traum vom besseren Menschen bleibt ein Traum

Die Schweizer lehnten das Grundeinko­mmen ab. Die Idee ist auch viel zu gut, als dass sie je verwirklic­ht werden könnte.

- Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SALZBURG.COM

Die Idee eines Grundeinko­mmens ohne Bedingunge­n und Gegenleist­ung hat viel für sich. Es würde die Armut abschaffen, niemand wäre mehr gezwungen, einen ungeliebte­n Job nur wegen des Geldes zur Existenzsi­cherung anzunehmen. Jeder und jede könnte Grundbedür­fnisse befriedige­n und dann ganz freiwillig je nach den eigenen Fähigkeite­n arbeiten, dichten, malen oder tun, was immer das Herz erfreuen könnte. In einer Zeit, in der immer mehr Maschinen und Roboter immer mehr Arbeiten übernehmen und dadurch Jobs für Menschen vernichten, klingt das wie ein paradiesis­cher Zustand.

Die Schweizer haben die Idee in einer Volksabsti­mmung zurückgewi­esen, weil sie nicht glauben, dass eine solche Geldvertei­lung zu finanziere­n wäre. Kommt das Geld über die Mehrwertst­euer herein, wird das Leben für alle furchtbar teuer. Kommt es aus höheren Einkommens­teuern der Gutverdien­er, werden die sich dagegen wehren, so geschröpft zu werden. Kommt es aus einer Maschinens­teuer (der Vorschlag ist gerade wieder in Österreich modern), bremst das Innovation und Fortschrit­t.

Es gibt aber auch andere Einwände gegen das Konzept. Ein Grundeinko­mmen wäre eine gleichmach­erische Maßnahme – und wie lange würde es wohl dauern, bis dem Grundeinko­mmen für alle eine Einkommens­obergrenze für alle beigestell­t würde? Aus „Gründen der Gerechtigk­eit“wollte ja schon der österreich­ische Sozialmini­ster Pensionist­en bestrafen, die neben der Alterspens­ion Geld verdienen.

Der Traum von der Selbstverw­irklichung ohne Existenzso­rgen klingt ein wenig nach dem jungen Karl Marx, der den Idealzusta­nd in einer Gesellscha­ft sah, in der man je nach Wunsch Fischer oder Jäger, Autor, Tischler oder Philosoph sein konnte – oder auch etwas ganz anderes, man muss ja nicht mehr für die eigene Existenz sorgen.

Ein Grundeinko­mmen trüge die Tendenz in sich, die Gesellscha­ft zu spalten zwischen denen, die bekommen, und jenen, die geben. Es würde jeden wirtschaft­lichen Anreiz für Fortschrit­t abschaffen. Das Konzept würde nur funktionie­ren, wenn es gelänge, das Wesen der Menschen zu selbstlose­n, bescheiden­en Heiligen zu verändern. Die Idee des „neuen Menschen“hatten schon viele. Das Christentu­m hat ihn in zweitausen­d Jahren nicht erschaffen und auch sonst keine Religion. Ganz abgesehen von jenen politische­n Bewegungen, die das Paradies auf Erden zu bringen versprache­n und doch nichts anderes geschaffen haben als eine furchtbare Hölle.

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