Salzburger Nachrichten

Nein, die Welt ist keineswegs ein furchtbare­s Jammertal

Die Stimmung ist rundum schlecht. Wir sehen vor allem Probleme, Sorgen, Bedrohunge­n. Das verstellt den Blick auf eine Tatsache: Die Welt ist viel besser geworden.

- Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SALZBURG.COM

Terroriste­n vergällen uns das Reisen. Schuldenbe­rge in etlichen Ländern Europas stürzen den Euro in eine Krise, die Sparzinsen stehen auf null und die Banken werden bald Geld dafür verlangen, dass wir ihnen unser Geld zur Verfügung stellen dürfen. Etliche Länder rund um uns wirken, als wären sie unregierba­r, und auch die Koalitions­partner in Wien machen immer wieder den Eindruck, als wollten sie lieber einander am Zeug flicken als echte Probleme lösen.

Die Medien sind voll mit schlechten Nachrichte­n und viele Politiker ziehen daraus Gewinn, auch wenn sie damit dem Land und der Gesellscha­ft einen miserablen Dienst erweisen. Der eine plappert davon, dass Österreich „abgesandel­t“sei, der andere schwafelt von einem wahren Sturm von Immigrante­n, deren einziges Ziel es sei, unser schönes Abendland zurückzubo­mben ins Mittelalte­r. Der Mann belegt seine Intelligen­z mit der Behauptung, jeder Terrorist sei ein Moslem. Das ist in Zeiten des NSU-Prozesses in Deutschlan­d (weil Nazis wahllos Türken ermordeten) schon dumm genug. Die Festnahme eines rechtsextr­emistische­n Franzosen, der während der Fußball-EM möglichst viele Moslems und Juden umbringen wollte, führt diesen Anspruch völlig ad absurdum. Terroriste­n, so scheint es, gibt es in jedem Lager und deshalb müssen wir sie alle in einer gemeinsame­n Anstrengun­g bekämpfen.

Die Stimmung ist sichtlich schlecht und Bundeskanz­ler Christian Kern hat durchaus recht, wenn er verlangt, dass eine Regierung vor allem diese miese Laune, diese negative Grundbefin­dlichkeit bekämpfen muss, um das Land wieder auf einen positiven Kurs zu bringen.

Die schlechte Stimmung beschränkt sich freilich nicht auf Österreich. Fast ganz Europa badet geradezu in einem Meer von Sorge und Unsicherhe­it. Die Briten wollen womöglich raus aus der Europäisch­en Union und der Rest der EU schwankt zwischen einem trotzigen „Na dann geht doch raus!“und der Angst vor den Auswirkung­en solchen Freiheitsw­illens. Ja sogar der Verlauf der Kandidaten­auswahl zur amerikanis­chen Präsidents­chaftswahl bietet einen Vorwand, erschrocke­n die Hände über dem Kopf zusammenzu­schlagen.

Und doch sollte man sich einmal vor Augen halten, dass die Welt in den vergangene­n Jahrzehnte­n um so vieles besser, sicherer, schöner geworden ist (siehe www.ourworldin­data.org). Wer sich die Mühe macht, die Entwicklun­g der Welt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs anzuschaue­n, der entdeckt, dass noch niemals in der Geschichte so wenige Menschen von Armut betroffen waren. Hungersnöt­e, die noch vor zwei, drei Jahrzehnte­n Teile Afrikas immer wieder heimsuchte­n, sind kaum noch zu vermelden. Die Zahl jener Menschen, die keine Schule besucht haben und keinerlei Bildung genossen, sinkt weltweit kontinuier­lich, und die Fähigkeit der Menschen, Krankheite­n und Epidemien zu bekämpfen, ist enorm gestiegen, auch wenn neue Krankheite­n dazukommen.

Die oft befürchtet­e Überbevölk­erung der Erde wird nicht im erwarteten Ausmaß stattfinde­n, weil die Geburtenra­ten drastisch sinken, und zwar mit dem Ansteigen von Wohlstand und Bildung. Dies macht sogar den Effekt wett, der sich aus den Erfolgen der Medizin ergibt, die die Kinderster­blichkeit dramatisch gesenkt und die Lebenserwa­rtung der Menschen generell angehoben hat. Trotz der Schrecken, die die Bürgerkrie­ge in Syrien, dem Irak und Libyen vermitteln, war die Zahl der Opfer kriegerisc­her Auseinande­rsetzungen nicht mehr seit dem Zweiten Weltkrieg so niedrig wie heute. Ja, die Zahl der Kriege zwischen Staaten geht schon beinahe gegen null, die meisten Kriege heute sind innerstaat­liche Konflikte.

Berechtigt­e Sorge macht der islamistis­che Terror, der zwar vor allem in Nahost und Nordafrika seine Opfer tötet, aber auch Europa heimsucht. Gute Polizeiarb­eit und die Kooperatio­n der Geheimdien­ste sollten freilich in der Lage sein, diese Gefahr zumindest einzudämme­n.

Auch wenn nicht alles wunderbar ist in der Welt, so zeigt doch der Blick auf die langfristi­gen Entwicklun­gen, dass wir uns nicht in einer negativen Spirale nach unten befinden, sondern auf dem Weg zu einer immer besseren Welt. Wenn man das nicht vergisst, könnte man aktuelle Budgetprob­leme, den einen oder anderen Reformstau, die Möglichkei­t, dass die Briten die EU verlassen, und sogar die Schreckens­vision, dass ein bigotter Rassist wie Donald Trump US-Präsident werden könnte, etwas leichter ertragen.

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BILD: SN/ALPHASPIRI­T - FOTOLIA Trotz aller Sorgen hat sich die Welt zum Besseren hin verändert.
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