Salzburger Nachrichten

Biosprit zerstört Lebensraum

Der Verbrauch von Agrodiesel ist in der EU seit 2010 um 34 Prozent gestiegen. Der Zuwachs entfällt zur Gänze auf importiert­es Palmöl – die Ökobilanz ist katastroph­al.

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Palmöl ist zu einer der wichtigste­n Quellen für sogenannte­n Biodiesel in der EU geworden. 2010 wanderten erst acht Prozent des importiert­en Palmöls in Autotanks. 2014 waren es bereits 45 Prozent. Weitere 15 Prozent dienten der Erzeugung von Wärme und Strom. Die Verwendung von Palmöl in Nahrungsmi­tteln oder Kosmetika ist um ein Drittel gesunken.

Dies geht aus jüngst bekannt gewordenen Zahlen hervor. Sie stammen von Fediol, der EU-Handelsorg­anisation für Pflanzenöl. Veröffentl­icht hat sie die Brüsseler NGO Transport und Umwelt (T& E).

Demnach stammt der Verbrauchs­zuwachs von Agrodiesel von 2010 bis 2014 im Ausmaß von beachtlich­en 34 Prozent zur Gänze aus Palmöl. 2014 war bereits ein Drittel des gesamten in der EU verwendete­n Biosprits aus Palmöl. Die Folgen sind wenig erfreulich. Palmöl stammt aus Monokultur­en vor allem in Indonesien und Malaysia. Der nicht zuletzt von der EU-Gesetzgebu­ng angeheizte Boom sorgt für Regenwaldr­odungen und Trockenleg­ungen von Feuchtgebi­eten, die den lukrativen Palmplanta­gen weichen müssen.

Die „Anlage von neuen Plantagen auf Feuchtgebi­eten mit Torfschich­ten“könne „zu hohen CO2Emissio­nen“führen“, heißt es in der Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage des Team-Stronach-Abgeordnet­en Leo Steinbichl­er an Agrar- und Umweltmini­ster Andrä Rupprechte­r. Auch die „Umwandlung von Wald, meist Regenwald, in solche Plantagen mobilisier­t das vorher gebundene CO2“. Darüber hinaus nehme die Biodiversi­tät auf den umgewandel­ten Flächen ab. Im Klartext: Der Lebensraum für Fauna und Flora wird zerstört. Zu den gefährdete­n Tierarten zählt auch der Orang-Utan.

Die Folgen der Rodungen eingerechn­et, belaste Palmöl-Diesel das Klima mit dreifach so hohen Emissionen wie Sprit aus Erdöl, betonte die Brüsseler NGO. „Jetzt ist klar, warum die Industrie die Zahlen bisher nicht veröffentl­ichen wollte“, sagte Jos Dings, Geschäftsf­ührer von T & E. Die Zahlen zeigten die „hässliche Wahrheit der europäisch­en Biosprit-Politik, die die Abholzung des Regenwalde­s vorantreib­t, die Emissionen erhöht und nichts tut, um den europäisch­en Bauern zu helfen“.

Die Beimengung von pflanzlich­em Treibstoff galt vor geraumer Zeit noch als wichtiger Beitrag zur Senkung der Verkehrsem­issionen. Eine EU-Richtlinie sieht vor, dass bis 2020 ein Anteil von zehn Prozent des Sprits aus erneuerbar­en Quellen stammen muss. Das bedeutet in der Praxis: Agrosprit. Mittlerwei­le hat die EU auf die Erkenntnis­se über die Schädlichk­eit vor allem des Palmöls reagiert. Ab 2020 wird es keine Unterstütz­ung mehr geben. Der Anteil von Agrosprit am Gesamtverb­rauch wurde auf sieben Prozent gedeckelt. In Österreich seien 2013 etwa 33.000 Tonnen Agrodiesel aus Palmöl in den Verkehr gebracht worden, sagt Markus Meister von der Welthaus Diözese Graz. Das war in etwa gleich viel wie heimischer Raps.

Die Hoffnung gilt nun den Biotreibst­offen der zweiten Generation, die aus Müll, recyceltem Kochöl oder landwirtsc­haftlichem Abfall gewonnen werden.

Die Chefin der Pflanzenöl-Organisati­on Fediol, Nathalie Lecocq, bestätigte die von T& E präsentier­ten Zahlen und auch, dass diese bislang nicht veröffentl­icht wurden. Es handle sich um „grobe Schätzunge­n für den internen Gebrauch“, sagte sie der französisc­hen Presseagen­tur AFP. Lecocq verwies darauf, dass „nur zertifizie­rtes, nachhaltig gewonnenes Palmöl“für die Produktion von Agrodiesel verwendet werden dürfe. Laut Fediol wurden 2014 in Europa täglich rund zehn Millionen Liter Palmöl als Treibstoff verbrannt.

Waldrodung­en sind weltweit für etwa zwölf Prozent der Treibhausg­ase verantwort­lich.

 ?? BILD: SN/EPA ?? Der Lebensraum der Orang-Utans in Indonesien wird durch den Palmöl-Boom zerstört. Der Dschungel muss Plantagen weichen.
BILD: SN/EPA Der Lebensraum der Orang-Utans in Indonesien wird durch den Palmöl-Boom zerstört. Der Dschungel muss Plantagen weichen.

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