Die Beziehung zur Bank verändert sich
Menschen wechseln Wohnort, Job und Partner. Aber ihrer Bank halten sie meist die Treue. Doch selbst diese Gewissheit beginnt zu bröckeln.
WIEN. Bei Mobilfunkanbietern ist die Jagd nach dem billigsten Angebot längst gang und gäbe. Zunehmend hinterfragen immer mehr Menschen auch die Rechnungen für ihre Strom- und Gasanbieter, obwohl die Wechselrate hier mit klar unter zwei Prozent noch sehr gering ist. Kaum darüber dürfte die Quote für den Wechsel der Bankverbindung liegen. Doch das dürfte sich bald ändern, Experten orten bereits klare Anzeichen für eine höhere Wechselbereitschaft auch bei Bankkunden.
Maßgeblich dafür mitverantwortlich sind aktuelle Umbrüche im Finanzbereich, die Banken und ihre Beziehung zu Kunden gehörig durcheinanderwirbeln. Treiber des Wandels ist der steigende Kostendruck, der Banken immer mehr veranlasst, Routinetätigkeiten wie Kontoabfragen oder Überweisungen zu automatisieren und damit Mitarbeiter einzusparen.
Dieses Do-it-yourself am Automaten hat aber den Nebeneffekt, dass der Kunde damit die persönliche Beziehung zu seiner Bank verliert. Je mehr sich die Bankgeschäfte weg von der Filiale in Richtung „Sofa Banking“mit dem eigenen Telefon, Computer oder Handy verlagerten, desto eher lockere sich auch die Bindung zur Bank, sagt Bankenexperte Franz Hahn vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo.
Das trifft besonders für junge und internetaffine Menschen zu. Wenn sie von ihrer Bank keine beratungsintensiven Dienstleistungen brauchen, sind sie logische Kandidaten für das kostengünstige Onlinebanking. Genau solche Kunden, „die noch nie eine Bankfiliale von innen gesehen haben“, vergleichen aber auch Angebot und Preise sehr intensiv und sind viel flexibler als die vorige Kundengeneration.
Denn bisher gehörte die Bankverbindung in der Regel so untrennbar zu einem Menschen wie sein Geburtsort, seine Blutgruppe oder seine natürliche Augenfarbe. Kaum jemand war bereit, seine Bank zu wechseln, sei es „aus Treue oder aus Wurstigkeit“, wie es ein Banken-Insider formuliert. Damit jemand doch diesen Schritt setzt, muss schon viel passieren. Entweder der Kunde übersiedelt in ein anderes Gebiet, wo seine Bank gar nicht oder nur schlecht vertreten ist. Oder der Ärger über diese ist aus irgendeinem Grund so groß, dass der Kunde keine Kosten und Mühen scheut und wechselt. Der dritte Grund ist, dass die Bank selbst ein Problem bekommt.
Genau das war im Herbst 2015 der Fall, als bei der Bank Austria wochenlang die Trennung vom unrentablen Privatkundengeschäft zur Diskussion stand – als Teil einer massiven Sparmaßnahme der Konzernmutter UniCredit. Ein kolportierter Verkauf des Bereichs an die Bawag kam zwar nicht zustande, aber das Vertrauen vieler Kunden war nachhaltig erschüttert. Kein Wunder: Bedingt durch große Veränderungen bei heimischen Bankhäusern steige „die grundsätzliche Wechselbereitschaft der Kunden“, sagt Erste-Bank-Chef Thomas Uher.
In der Folge kam es zu beträchtlichen Kundenströmen von der Bank Austria zu anderen Banken, die Mitbewerber frohlocken ließen. Denn darunter waren auch „Wunschkunden, die man sonst nicht kriegt“, also Kunden mit hohem Einkommen und Wertpapierdepots. Andere Institute nutzten die Verunsicherung mit „gezielten Willkommenskampagnen“, um den Bankwechsel einfach und günstig über die Bühne zu bringen. Kunden berichten auch von Abwerbeversuchen durch Bankomaten beim Geldabheben.
Das alles ist Teil eines größeren Trends, zu dem vermehrt technische Innovationen beitragen. Dazu gehören die sogenannten FinTechs, junge innovative Unternehmen, die zunehmend internetbasierte Finanzdienstleistungen anbieten. Dazu gehören „Robo Advisor“, digitale Berater, die Kundenwünsche automatisch sortieren und verarbeiten.
Spätestens wenn Banken weitere Filialen schließen, wird es zu neuen Kundenbewegungen kommen – einfach deshalb, weil es dann für manche ihre „Filiale am Eck“nicht mehr gibt. Wifo-Finanzexperte Franz Hahn formuliert es so: „Wenn Banken ihr Filialnetz immer weiter durchforsten und ausdünnen, forcieren sie die Mobilität ihrer Kunden.“Dazu kommt noch die bessere Vergleichbarkeit der Bankkonditionen über Internetrechner.
Wie groß die Zahl der Bankenwechsler tatsächlich schon ist, darüber hüllen sich Banken gern in Schweigen. Sie verweisen gern auf gewonnene Neukunden, ohne freilich die Zahl der Abgänge nennen zu wollen. Eine Studie von meinungsraum.at zeigt, dass neun Prozent der Österreicher in den letzten zwei Jahren ihre Bank gewechselt haben. Das könnte erst der Anfang sein: Die Zahl der Wechselbereiten liegt demnach bei landesweit 14 Prozent.