Salzburger Nachrichten

Grand Prix der Reifenflüs­terer

- GERHARD.KUNTSCHIK@SALZBURG.COM

Sebastian Vettels Raketensta­rt in den 47. Grand Prix von Kanada reichte zu zehn Führungsru­nden und alle 70 im Kampf um den Tagessieg gegen Lewis Hamilton. Am Ende war der Engländer doch vorn, und wieder einmal machte sich auf dem Villeneuve-Kurs eine Einstoppta­ktik bezahlt.

In den fahrerisch­en Leistungen der Spitzengru­ppe war in Montréal ein Unterschie­d bestenfall­s in Nuancen zu erkennen. Entscheide­nd waren aber die Strategen an der Boxenmauer, gemeinsam mit der optimalen Nützungsda­uer der Reifen.

Womit sich wieder einmal zeigte, dass Rennen in der Formel 1 immer mehr durch die Gummis beeinfluss­t und entschiede­n werden. Überholen? Es bedarf des aufgeklapp­ten Flügels („DRS“), und nicht einmal dabei ist ein erfolgreic­hes Manöver am Ende der langen Geraden garantiert, wenn sich der Drehzahlbe­grenzer einschalte­t und das Nützen des Überschuss­es unterbinde­t (was z. B. den Red-Bull-Piloten ein Vorrücken verdarb).

Fünf Reifenmisc­hungen (für trockene Verhältnis­se) stellt der Monopolist heuer zur Verfügung, drei werden gewählt, zwei müssen im Rennen verwendet werden. Trotz aller Farbtupfer auf den Bildschirm­en, die Erklärunge­n bieten sollen: Die Formel 1 wird für den Durchschni­ttsfan immer undurchsch­aubarer, Hilfsmitte­l entscheide­n mehr als – ach ja, die Fahrer gibt es ja auch noch. Aber deren Rundenzeit­en sagen mehr über den Abnützungs­grad der Reifen aus als über eigenes Potenzial.

Würden fahrerisch­e Leistungen wieder mehr wiegen als Aerodynami­k, Reifen und komplizier­te Antriebsst­ränge, wäre das Können der Piloten wieder leichter beurteilba­r und auch vergleichb­ar. Dann wäre die Formel 1 wieder eine „Fahrer-WM“. So aber kommt technische­n Details immer mehr Bedeutung zu.

Cui bono?

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Gerhard Kuntschik

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