Salzburger Nachrichten

Als die Stadt aus den platzte Nähten

Eingemeind­ungen am Stadtrand sind ein heißes Thema – sowohl aktuell als auch historisch. Die Vergangenh­eit ist nun besser erforscht.

- Florian Stehrer, Historiker

Vor 80 Jahren, zwischen 1935 und 1939, ist die Fläche der Stadt Salzburg von 8,7 auf 65,7 Quadratkil­ometer gewachsen. Ihre Größe hat sich also mehr als versiebenf­acht. Der Grund waren Eingemeind­ungen von Umlandkomm­unen. Das ging nicht ohne Konflikte.

Letztlich waren es zwei autoritäre Regime, Ständestaa­t und NSHerrscha­ft, die die Pläne umsetzten und nicht lang fackelten.

Der Salzburger Florian Stehrer hat seine Diplomarbe­it über die Eingemeind­ungen zur Stadt Salzburg geschriebe­n. „Es gab einen wesentlich­en nachvollzi­ehbaren Grund für diese Bestrebung­en“, sagt der Historiker, „Industrial­isierung und Arbeitsplä­tze lockten damals Tausende vom Land in die Ballungsze­ntren. Salzburg platzte daher schon Mitte des 19. Jahrhunder­ts aus allen Nähten.“

Die Stadt Salzburg war damals klein, sehr klein. Ihr Territoriu­m beschränkt­e sich auf die heutige Altstadt auf beiden Seiten der Salzach sowie die Vorstädte Mülln, Nonntal, Äußerer Stein und die Ortschafte­n Mönchsberg, Riedenburg, Lehen, Schallmoos und Froschheim. Sogar der Kommunalfr­iedhof lag aus Platzmange­l bereits außerhalb der Stadt. 27.858 Einwohner hatte Salzburg 1869, im Jahr 1910 waren es aber 56.423 – ein Plus von 102 Prozent. Zum Vergleich: Von 1970 bis 2010 gab es nur einen Zuwachs von 15 Prozent.

Kein Wunder also, dass es starkes Verlangen gab, die Stadt zu erweitern. Um die Jahrhunder­twende begannen Verhandlun­gen. Diese scheiterte­n aber spektakulä­r. So forderte Maxglan die vollständi­ge Kanalisier­ung und den Anschluss an das Wassernetz auf Kosten der Stadt. Gleichzeit­ig sollte die vergleichs­weise niedrige Hauszinsst­euer belassen werden. Das lehnte die Stadt ab. Der Maxglaner Gemeindevo­rsteher Engelbert Stechel damals in einem Protokoll: „Die Gemeinde Maxglan habe alle Ursache, gegen unverbindl­iche Versprechu­ngen misstrauis­ch zu sein . . .“In der Stadt wiederum hatte das Bürgertum Angst vor einer „Proletaris­ierung“durch die „Arbeitervo­rorte“, die zudem hohe Schulden mitbringen würden.

Die Verhandlun­gen wurden abgebroche­n, das Thema war aber nicht vom Tisch. Der städtische Baudirekto­r Ludwig Straniak entwarf später in einem Vortrag Kernlinien für ein „GroßSalzbu­rg“: Binnenhand­el, Kultur, Wissenscha­ft und Tourismus in der „Altstadt“, Handels- und

„Gegen die autoritäre­n Maßnahmen formierte sich starker Widerstand.“

Industriez­one in Schallmoos, Wohnvierte­l im Süden, also Parsch, Aigen und Nonntal, sowie eine „gemischte Zone“in Mülln, Liefering und Lehen.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Notwendigk­eit immer drückender. Da der Widerstand ungebroche­n war, wurde ab 1926 eine Volksabsti­mmung vorbereite­t. Dazu kam es aber nicht mehr, als der Ständestaa­t die Macht übernahm. Dieser setzte Fakten: Am 17. Jänner 1935 wurde ein Landesgese­tz bekannt gegeben, das die „Erweiterun­g des Gebietes der Landeshaup­tstadt“vorsieht: Die Gemeinden Itzling/Gnigl und Maxglan kamen vollständi­g zur Stadt, dazu Teile von Aigen, Morzg, Siezenheim, Leopoldskr­on, Bergheim und Hallwang. Die Fläche von „GroßSalzbu­rg“erhöhte sich durch diese Anordnung von 879 auf 4200 Hektar, die Einwohnerz­ahl von 40.450 auf 67.000. „Trotz dieser autoritäre­n Maßnahmen formierte sich dagegen starker Wi-

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GRAFIK: ÖSTERREICH­ISCHER STÄDTEATLA­S eingemeind­et eingemeind­et
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Er erforschte die Eingemeind­ungen:

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