Salzburger Nachrichten

Die heile Welt des Sports

- Michael Smejkal

Ein jubelnder kroatische­r Fan, der nach einem Tor auf den Platz stürmt, russische Schläger, die den Sektor englischer Fans stürmen: Das waren Bilder, die es am ersten Wochenende bei der EURO gegeben hat, aber die nicht im TV zu sehen waren. Denn welche Bilder über die Bildschirm­e flimmern, das bestimmt auch hier die veranstalt­ende UEFA.

Zensur oder sinnvolles Ausblenden ungewollte­r Begleiters­cheinungen?

Zumindest die deutschen Sender ARD und ZDF haben sich bei der UEFA über die eingeschrä­nkte Bildauswah­l beschwert. „Wir haben gemeinsam mit der ARD Kontakt mit der UEFA aufgenomme­n und unsere Erwartungs­haltung klar dargestell­t“, sagte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Die Reaktion der UEFA: „Wir wollen nicht, dass Szenen von Gewalt im Fernsehen zu sehen sind.“

Das ist bis zu einem gewissen Grad nachvollzi­ehbar, letztlich ist es aber nichts anderes als ein Ausblenden der Realität. Alle Bilder von Ausschreit­ungen am Wochenende wurden von Amateurfil­mern oder zufällig anwesenden TV-Teams gemacht.

Dass man solche Bilder ausblendet, ist aber nicht eine Eigenart der UEFA. Am konsequent­esten geht auch hier das Olympische Komitee vor, das sogar einen eigenen TV-Kanal plant, um das Hochglanzp­rodukt Olympia künftig ohne Kratzer übertragen zu können. Was nicht in die Realität der Verbände passt, das darf auch nicht sein. Zumindest im eigenen TVKanal bleibt die Welt des Sports übersichtl­ich und heil.

Dazu passt die Reaktion auf die Vorfälle von Marseille: Untersuchu­ngen wurden gegen Russland wegen der Vorfälle im Stadion eingeleite­t. Vor dem Stadion zu prügeln ist offenbar okay. Borniert? Ja sicher. Aber auch das ist ein gutes Anschauung­sbeispiel, wie große Verbände funktionie­ren: nach ihren Gesetzen in ihrer eigenen Welt.

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