380 kV: Ortschefs gegen Freileitung
In Tirol ist ein Erdkabel mit Höchstspannung geplant. In Salzburg erhöhen Gemeinden und Bürgerinitiativen den Druck auf den Projektbetreiber der „Stromautobahn“.
Das Erdkabelprojekt zwischen Nord- und Südtirol hat in Salzburg die Debatte über die 380-kV-Freileitung neu angeheizt. Die geplante 27 Kilometer lange 220-kV-Leitung über die Grenze am Reschenpass (SN vom 7. Juni) ist auf italienischer Seite in der Erde geplant und auch auf der österreichischen Seite bezeichnet die Austrian Power Grid
(APG) die Verkabelung – überraschenderweise – als sehr wahrscheinliche Option.
Bei der 380-kV-Salzburgleitung zwischen Elixhausen und Kaprun hingegen beharrt die APG auf den Masten, weil das Erdkabel in einer Ringleitung nicht Stand der Technik sei.
Dem widersprechen die Salzburger Kämpfer für das Kabel. Die Flachgauer Nachbargemeinden Koppl und Eugendorf fordern (wie übrigens auch Adnet im Tennengau) eine Teilverkabelung auf dem betroffenen Abschnitt. Die Bürgermeister Rupert Reischl (ÖVP) und Hans Strasser werden morgen, Mittwoch, in Salzburg ein Gutachten vorlegen, das den Stand der Technik bestätige. Gutachter ist Ernst Gockenbach, Professor an der Leibniz Universität Hannover in Deutschland. Eugendorfs Ortschef Strasser hat sich wegen des 380-kV-Streits mit der Landesorganisation seiner Partei, der ÖVP, total überworfen.
Das Amt der Landesregierung hatte vor einem halben Jahr die Freileitung in erster Instanz genehmigt. Strasser warf in seinem Bürgermeisterbrief in der jüngsten Ausgabe der Eugendorfer Gemeindezeitung der Landesregierung vor, eine Verkabelung „gar nicht versucht“zu haben. Der Ortschef schrieb, Gemeindebürger hätten ihn des Öfteren auf die Meinungsverschiedenheit zwischen „unserem Herrn Landeshauptmann“Wilfried Haslauer und ihm angesprochen. In 37 Jahren in der Kommunalpolitik, davon 27 Jahre als Bürgermeister, habe ihn kein Thema so berührt und aufgeregt wie das Verhalten der Landespolitik rund um das 380-kV-Genehmigungsverfahren. Er sei 100 Prozent davon überzeugt, dass eine Teilverkabelung dem Stand der Technik entspreche und auch wirtschaftlich vertretbar sei. „Vor allem, wenn alle betroffenen Gruppierungen – die Politik und die Standesvertretungen – an einem Strang ziehen würden.“Strasser verweist dabei auf den Nachbarn Deutschland als Vorbild.
Das tut auch BürgerinitiativenSprecher Franz Köck aus Adnet. Er fordert, dass „die Angaben der Netzbetreiber von unabhängigen Gutachtern genau geprüft werden müssen, um realistische Daten zu ermitteln. Dann zieht auch die Preiskeule der höheren Stromkosten nicht mehr.“Wenn die APG Erdleitungen nicht verlegen könne oder zum Vorteil ihrer Aktionäre nicht wolle, dann liege die Verantwortung beim Wirtschaftsministerium, weil die Republik die Aktienmehrheit halte. Das Wirtschaftsministerium müsse, wie in Deutschland, eine Erdverlegung in Auftrag geben.
Nach zahlreichen Einsprüchen ist im Fall Salzburgleitung nun in zweiter Instanz das Bundesverwaltungsgericht am Zug. Die Beschwerdeschriften umfassen, wie berichtet, insgesamt mehr als tausend Seiten. Zu den Beschwerdeführern zählen auch ein Dutzend Gemeinden.
Das Projekt umfasst die 113 Kilometer lange 380-kV-Trasse vom Flachgau in den Pinzgau einschließlich abschnittsweise mitgeführter 110-kV-Leitungen sowie einen 220-kV-Ableger zwischen St. Johann und Wagrain.
„Wir fordern die Teilverkabelung. Sie ist Stand der Technik.“Rupert Reischl, Bürgermeister