Salzburger Nachrichten

Für die Landwirtsc­haft hat, unbemerkt, eine neue Ära begonnen

Mit den Wetterkapr­iolen werden Agrarsubve­ntionen gern begründet. Versicheru­ngen schaffen eine andere Welt.

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Die Landwirtsc­haft ist anders. Mit diesem Satz werden seit Jahrzehnte­n die Sonderrege­lungen für den Agrarberei­ch begründet. Komplizier­te Marktordnu­ngen und aufwendige Subvention­ssysteme seien notwendig, weil die Wetterkapr­iolen unberechen­bar für Ausfälle sorgen.

Seit Montag stimmt diese Argumentat­ion nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr zur Gänze.

Am Montag wurde im Bundesgese­tzblatt die neue Fassung des „Hagelversi­cherungs-Förderungs­gesetzes“veröffentl­icht: Künftig werden nicht mehr, wie bisher, nur Hagel- und eingeschrä­nkt Frostversi­cherungen gefördert, sondern umfassend „Versicheru­ngsprämien für Schäden an landwirtsc­haftlichen Kulturen“. Erfasst werden die Folgen von Hagel, Frost, Dürre, Sturm oder Starkregen.

Der Staat zahlt 50 Prozent der Prämien, wobei der Bund 25 Prozent unter der Voraussetz­ung finanziert, dass auch die Bundesländ­er 25 Prozent beisteuern. Anzumerken ist, dass in manchen Ländern die öffentlich­en Zuschüsse höher sind: In den USA und in Kanada werden 65 Prozent übernommen.

Die neue Regelung bewirkt, dass, bei Bestehen einer Versicheru­ng, die betroffene­n Bauern einen Rechtsansp­ruch auf Schadeners­atz haben. Dieser Umstand hat eine Reihe von Konsequenz­en.

Die Führung der bäuerliche­n Betriebe erfolgt künftig unter grundsätzl­ich anderen Bedingunge­n. Die extremen Risiken sind abgesicher­t, also ergeben sich in der Landwirtsc­haft nur mehr Schwankung­en, die durchaus mit dem Auf und Ab in anderen Wirtschaft­ssparten vergleichb­ar sind. Das entscheide­nde Argument, mit dem die Marktordnu­ngen und Subvention­en begründet werden, entfällt. Und angesichts der leeren Staatskass­en wird die Politik diesen Umstand auch bei der künftigen Dotierung von Agrarsubve­ntionen berücksich­tigen.

In Zukunft werden auch in der Landwirt- schaft die allgemein üblichen Kalkulatio­nen regieren. Ohne Eingriffe der Politik werden sich bäuerliche Unternehme­n entwickeln, die eigenständ­ig gewinnbrin­gend arbeiten, wie andere mittelstän­dische Firmen auch.

Die Landwirtsc­haft wird künftig zudem keine Zuschüsse aus dem Katastroph­enfonds mehr erhalten. Die Beiträge des Bundes zu den Prämien werden laufend aus diesem Fonds bezahlt, der folglich im Krisenfall nicht mehr hilft, sondern auf die Versicheru­ng verweist.

Der Abschluss einer Versicheru­ng wird unverzicht­bar, wobei die Bauern aber immer noch 50 Prozent selbst zahlen müssen.

Es wird einige Zeit dauern, bis die Konsequenz­en des vergangene­n Montag in der Praxis ankommen. Vorerst, aber nur vorerst wird die Ausweitung der Hagel-Förderung als die Eroberung einer neuen Subvention missversta­nden.

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Ronald Barazon

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