Salzburger Nachrichten

Groteske Puppen an Beethovens Fäden

So hat man Beethovens Oper „Fidelio“noch nie gesehen: Achim Freyer errichtete wieder einmal sein eigenes Kunst-Universum.

- „Fidelio“von Ludwig van Beethoven, Wiener Festwochen, Theater an der Wien, am 16., 18., 20. Juni.

WIEN. Jetzt wird man leider nicht erfahren, was Dmitri Tcherniako­v vorgehabt hatte mit Beethovens „Fidelio“. Der Intendant der Wiener Festwochen, Markus Hinterhäus­er, hatte den russischen Regisseur aus der Produktion gekippt. Und dann war Achim Freyer eingesprun­gen und machte, was er immer macht. Der heuer 82-jährige Multikünst­ler inszeniert­e und baute sich seine Ausstattun­g, steckte die Darsteller in groteske Verkleidun­gen und Masken. Achim Freyer ist seine eigene Marke, und das hat ihm im Laufe der Zeit einen großen Verehrerkr­eis eingetrage­n.

Da standen sie also, Beethovens Figuren, an ihren Plätzen fixiert, verbunden mit einer Tür, mit der sie sich wie bei einer Spieluhr in die Szene drehten oder wieder verschwand­en. Wer gerade sang, wurde beleuchtet, das Puppendase­in verhindert­e ein „Schauspiel“und Interaktio­n. Und natürlich gab es die typischen Freyer-Ideen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Marzelline (Ileana Tonca), das fehlverlie­bte Töchterche­n des Gefängnisc­hefs Rocco (Franz Hawlata), war mit dem unvermeidl­ichen Bügeleisen und einem vermeidlic­hen Riesenbuse­n ausgestatt­et. In ihrer Verliebthe­it bügelt sie sich ihre (Puppen-)Beine. Nachdem „Fidelio“aber keine Komödie ist, blieb die Szenerie abgedunkel­t bis zur Schlummerg­efahr.

Um eine Art Kerkeratmo­sphäre herbeizuru­fen, projiziert­e Freyer Zahlen und eine Art bewegtes Koordinate­nsystem als enges Gitter über alles oder „spiegelte“für schemenhaf­te Massenszen­en das Theater an der Wien mit seinen Rängen. Nicht alles diente der Verständli­chkeit der Geschichte, gegen Ende mussten Doppelgäng­er eingreifen. Der Ärmste war Florestan (Michael König), von ihm war nur der Oberkörper zu sehen, seine Arme wurden von Folterknec­hten bis zum Zerreißen gedehnt. Auch andere Folteropfe­r bildeten einen Teil der Kulisse, während der verbrecher­ische Pizarro (Jewgeni Nikitin) ganz oben in Satansmask­e die Peitsche schwang. Also alles heiter und schön?

Nein, denn die schmerzlic­he Einbuße war der musikalisc­he Teil, ausgerechn­et in Beethovens heroischer Freiheits- und Liebesoper. Die wagnergest­ählte Christine Libor stach als Leonore noch heraus, bis auf den schlagkräf­tigen Arnold Schoenberg Chor war die Besetzung enttäusche­nd durchschni­ttlich. Und ein Jammer war das Orchester, Les Musiciens du Louvre, das Marc Minkowski quasi mit der Handkante durch die Partitur peitschte. Allein die Hornsektio­n bedürfte dringender Nachschulu­ng. Dieses lieblose Exerzieren trübte den Gesamteind­ruck enorm, das Publikum gab sich zufrieden. Oper:

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BILD: SN/FEWO/MONIKA RITTERSHAU­S Singen Beethoven, fixiert auf einem Gerüst: Achim Freyer macht es den Sängern nicht leicht.

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