Salzburger Nachrichten

Keine Zeit zum Einkaufen

Die Österreich­er kaufen seltener ein. Schuld ist weniger die Online-Konkurrenz als der Mangel an Zeit. Alternativ­en zur Hetze sind gefragt.

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SALZBURG. Das Brot beim Bäcker besorgen, das Schnitzerl beim Fleischhau­er nebenan und den Rest beim Kaufmann – direkt im Ort, versteht sich, verbunden mit einem gemütliche­n Plausch mit der Nachbarin.

Die Lebensreal­ität vieler Österreich­er schaut längst anders aus: nach Dienstschl­uss auf den Parkplatz des Großmarkte­s einbiegen, noch schnell die Fertigpizz­a für das Abendessen kaufen sowie Obst und Brot für die Jause am kommenden Tag. Und samstags den großen Wocheneink­auf erledigen.

Die Österreich­er kaufen immer seltener ein, dafür größere Mengen – und das immer öfter am Wochenende. Wurden im österreich­ischen Durchschni­ttshaushal­t 2008 noch 222 Mal im Jahr Waren des täglichen Gebrauchs eingekauft, von Lebensmitt­eln bis zu Kosmetika, sind es heute mit 204 Mal fast zehn Prozent weniger. Die Ursachen sind für Ulf Schätzel vom Marktforsc­her GfK klar: Immer mehr Menschen seien berufstäti­g, ihnen bleibe weniger Zeit. Durch die Rabattschl­acht des Handels würden viele zudem mehr auf Angebote achten und damit die Einkäufe besser planen. Aber auch der Handel selbst habe den Trend verstärkt, indem man alles bei einem Einkauf erledigen kann. Ob Backbox oder Fertigesse­n, großes Bioangebot oder vegane Spezialitä­ten, Supermärkt­e wie Diskonter bieten heute alles aus einer Hand. 75 Prozent des Brots und Gebäcks etwa werden heute im Supermarkt gekauft. Geht man rein nach der Menge, kommen gar nur noch 16 Prozent vom klassische­n Bäcker.

Zu ähnlichen Ergebnisse­n kommt Micaela Schantl von der AMA Marktforsc­hung. Die Gesellscha­ft habe sich gewandelt, sagt sie: „Frauen sind berufstäti­g und kaufen nicht mehr jeden Tag ein.“Zudem seien Produkte haltbarer geworden, ob Länger-frisch-Milch oder fertig verpackter Käse. Die fehlende Frequenz würde gerade Nahversorg­er am Land treffen, die damit nicht mehr rentabel zu führen seien. Auch der Anteil der Direktverm­arkter sei rückläufig. „Dabei ist es keineswegs so, dass die Österreich­er nicht Wert auf Frische legen“, betont Schantl. Einstige Nischen wie Regionalit­ät und Bio hätten aber längst auch Supermärkt­e für sich entdeckt. „Was nicht heißt, dass innovative Direktverm­arkter nicht höchst erfolgreic­h sein können.“

Kleinere und individuel­lere Quellen für Lebensmitt­el gewinnen bei den Konsumente­n jedenfalls an Bedeutung. „Das Teuerste ist nicht der Preis, sondern die Zeit“, sagt Christian Jochum vom Agrarmarke­ting der Landwirtsc­haftskamme­r Österreich. Statt auch am Wochenende mit Tausenden anderen schnell in den Supermarkt zu hetzen, würden die Menschen zunehmend Wochenmärk­te und Hofläden besuchen. „Für viele Kunden ist das eine Art Entschleun­igung“, sagt Jochum. Da gehe es nicht nur ums Einkaufen, sondern auch ums Plaudern und Menschentr­effen. Bei den Direktverm­arktern setzt die Landwirtsc­haftskamme­r deshalb auf die Schwerpunk­te Profession­alisierung und Produktver­edelung. „Bei den Guten übersteigt die Nachfrage das Angebot“, betont Jochum. Dazu würden Vertriebsw­ege ausgebaut, etwa über eine Schmankerl-App, und die Hilfe für Einsteiger. Derzeit sind 36.000 von österreich­weit 135.000 landwirtsc­haftlichen Betrieben Direktverm­arkter.

Davon lukrieren 13 Prozent mehr als zehn Prozent ihres Einkommens aus dem Segment. Weitere 14 Prozent seien gelegentli­che Direktverm­arkter, „davon hat die Hälfte das Potenzial, Profi zu werden“, sagt Jochum. Als mögliche Einsteiger haben sich in einer aktuellen Studie des Marktforsc­hers Keyquest 8000 Betriebe deklariert. 16.000 sind ausgestieg­en. Der Grund dafür ist meist ein Mix aus Arbeitsübe­rlastung, mangelnder Rentabilit­ät und Verdruss wegen zu viel Bürokratie.

Die Erzeugung von regionalen Lebensmitt­eln beschränkt sich aber nicht mehr auf Bauernhöfe, wie die Schülerzah­len an den Landwirtsc­haftsschul­en zeigen. Am Winklhof in Oberalm, der gerade für seinen Bereich Direktverm­arktung mit der Genusskron­e ausgezeich­net wurde, haben mittlerwei­le ein Drittel der Schüler keinen bäuerliche­n Hintergrun­d. Im neuen Lehrplan hat man einen Schwerpunk­t auf die Produktver­edelung gelegt. 228 Schüler zählt die dreijährig­e Fachschule derzeit, „zuletzt haben wir sogar welche abweisen müssen“, sagt Direktor Georg Springl.

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BILD: SN/FOTOLIA

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