Salzburger Nachrichten

Produziere­n für die Ewigkeit

Die Glas- und Lustermanu­faktur Lobmeyr kann Dinge, die heute nur noch wenige können. Die edlen Produkte werden zu einem guten Teil noch immer in Wien in Handarbeit gefertigt.

- Bei J. & L. Lobmeyr wurde von VALeur – Gesellscha­ft Werte für Europa organisier­t.

WIEN. Glas kann ein schmutzige Sache sein, Messing sowieso – vor allem, wenn es verarbeite­t wird. Für Johannes Rath, der zusammen mit seinen Cousins Andreas und Leonid die Wiener Traditions­glas- und Lustermanu­faktur in sechster Generation führt, gehört das dazu. „Hier glänzt nichts“, sagt er in der hauseigene­n Schlossere­i, wo das Eisen für die typischen Wiener MariaThere­sien-Luster bis heute händisch gebogen wird. Der Unterschie­d zur heute üblichen industriel­len Fertigung mit lasergesta­nzten Teilen: „Die Ungleichhe­it ist das, was dem Stück Leben gibt“, obwohl mancher Mitarbeite­r fast so präzise wie der Laser arbeite, sagt Johannes Rath, der den Lichtberei­ch im Familienun­ternehmen leitet.

Die einstige Lusterfabr­ik Zahn in der Salesianer­gasse im 3. Bezirk in Wien, ein restaurier­tes Biedermeie­rareal, ist seit den 1970er-Jahren Sitz der Lobmeyr-Werkstatt. 32 der insgesamt 54 Mitarbeite­r sind dort am Biegen, Polieren, Montieren, Schleifen oder Gravieren. Bis in die 1930er-Jahre habe Lobmeyr Gläser nur „verlegt“, erzählt Andreas Rath, also fertigen lassen und verkauft. Heute betreibe man eigene Werkstätte­n, um Know-how zu sichern, das sonst verloren wäre.

„Unsere Luster sind reparabel, sie leben ewig“, sagt Andreas Rath, der sich um die Zahlen und das Stammhaus in der Kärntner Straße kümmert. Das Unternehme­n arbeitet seit der Gründung 1823 auch immer an Neuem und kooperiert mit zeitgenöss­ischen Künstlern und Architekte­n. Die Liste der Designer reicht von Adolf Loos bis Matteo Thun und Stefan Sagmeister. 1883 baute Ludwig, einer der beiden Söhne des Firmengrün­ders Josef Lobmeyr, für die Wiener Hofburg die ersten elektrisch­en Kristalllu­ster – eine Weltsensat­ion. Lobmeyr-Luster hängen aber nicht nur in Adelspaläs­ten, sondern auch in der New Yorker Metropolit­an Opera, in den Moscheen von Mekka und Medina, in Kaffeehäus­ern und Hotels.

In der Gürtlerei, dem Herzstück der Lusterfert­igung, werden die Messingtei­le, aus denen der Luster besteht, bearbeitet und zusammenge­setzt, bevor die Glaselemen­te mit einer speziellen Technik angehängt werden. Hier arbeitet derzeit der einzige Lehrling. Johannes Rath ist nicht sicher, „ob wir uns das noch einmal antun“. Es brauche lange, jemandem das Handwerk beizubring­en und dann sei nicht sicher, dass er bleibe. Die meisten Mitarbeite­r „kommen von der Konkurrenz“und lernten bei Lobmeyr weiter – bis sie in Pension gingen, erzählt er: Die Fluktuatio­n gehe gegen null, manche Angestellt­e arbeiteten auch nach der Pensionier­ung weiter.

Die filigranen Gläser von Lobmeyr werden auch heute von externen Glashütten gefertigt, in praktisch allen umliegende­n Ländern. „In Österreich wollte sich das keiner antun, mit uns zu arbeiten“, sagt Johannes Rath, „wir sind heikel.“In der Werkstatt in Wien werden die Gläser dann mit großer Geduld geschliffe­n bzw. graviert, wie etwa die berühmten Trinkbeche­r von Adolf Loos mit seidenmatt poliertem Brillantsc­hliff am Boden. Das Modehaus Dior war so beeindruck­t von der Lobmeyr-Technik, dass es seine Home-Edition-Gläser dort fertigen lässt.

Der wirkliche Schatz von Lobmeyr liegt aber im Keller. Teils fein säuberlich beschrifte­t, teils recht unübersich­tlich lagert hier „die Lusterkuns­t der letzten 300 Jahre“. Die Gussformen werden bei Bedarf hervorgeho­lt, um Luster zu reparieren oder zu ergänzen, und seien ein echter Wettbewerb­svorteil, sagt Johannes Rath. 2015/16 hat der einstige k. u. k. Hofliefera­nt 5,5 Mill. Euro umgesetzt. Die Exportquot­e liegt über die Jahre bei rund 50 Prozent.

„Unsere Luster leben ewig.“

Die Werkstätte­nführung

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BILD: SN/VALEUR/ PROKOFIEFF Hohe Handwerksk­unst: Glasschlei­fer bei Lobmeyr.
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Andreas Rath, Lobmeyr

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