Salzburger Nachrichten

Metaller-Zeitkonto erlaubt Minusstund­en

Industrie begrüßt wichtigen Schritt, will aber eine weitere Flexibilis­ierung. Verhandler sehen ein kräftiges Lebenszeic­hen der Sozialpart­ner.

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WIEN. Die Metaller haben sich nach jahrelange­n, zum Teil sehr konfliktbe­ladenen Verhandlun­gen auf ein Modell für flexiblere Arbeitszei­ten geeinigt. Das Modell sieht je nach Auftragsla­ge längere oder kürzere Arbeitszei­ten vor.

Die Industrie verspricht sich davon, Aufträge besser anlassbezo­gen abarbeiten zu können und weniger Geld für Überstunde­n zahlen zu müssen. Die Arbeitnehm­er freuen sich über mehr Selbstbest­immung bei der Zeitgestal­tung und die Möglichkei­t, das Zeitkonto durch Minusstund­en auch überziehen zu können. So lassen sich Auftragsfl­auten kostengüns­tig aussteuern – ein Beitrag zur Erhaltung von Arbeitsplä­tzen in Krisenzeit­en, sagt Rainer Wimmer, Chef der Produktion­sgewerksch­aft ProGe.

Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er sprachen am Mittwoch von einem „Durchbruch“. Dabei waren die Eckpunkte bereits zusammen mit dem Kollektivv­ertrag (KV) für die Maschinenu­nd Metallware­nindustrie im Herbst 2015 vereinbart worden. Doch während man sich damals nur auf eine „Punktation“– also Schlagwört­er – einigte, musste man sich jetzt in mühevoller Detailarbe­it auf eine ausformuli­erte Fassung einigen. Die Regelung soll mit 1. Juli in Kraft treten. Mitte 2019 will man das Modell bewerten und allenfalls adaptieren.

Christian Knill, Obmann des größten Metaller-Fachverban­ds FMMGI, sieht in der Vereinbaru­ng auf das neue Zeitkonten­modell (ZKM) ein „Beispiel für gelebte Sozialpart­nerschaft“. Das neue Modell verbessere bestehende KV-Bestimmung­en zur Arbeitszei­t und biete Betrieben mehr Spielräume beim Ansammeln und Verbrauch von Plus- und Negativ-Zeitsalden. Damit könne man besser auf Auftragssc­hwankungen und -spitzen reagieren. Das sei wichtig, denn „zunehmende Schwankung­en bei der Auftragsla­ge stellen eine der großen Herausford­erungen für den Wirtschaft­sstandort dar“, sagt Knill.

Die Reaktionen aus Wirtschaft und Politik auf die „innovative Lösung“waren durchwegs positiv. Die Industrie freilich verlangt jetzt weitere Schritte. Die Industriel­lenvereini­gung (IV) fordert die Anhebung der Tageshöchs­tarbeitsze­it, insbesonde­re die im Regierungs­programm vorgesehen­e Erhöhung der Gleitzeit von zehn auf zwölf Stunden. Es gehe „nicht darum, in Summe mehr zu arbeiten, sondern dann, wann es sinnvoll ist“, sagt IVGenerals­ekretär Christoph Neu- mayer. Das gesetzlich­e Arbeitszei­tkorsett sei immer noch zu eng. Die Gewerkscha­fter bremsen, sie wollen erst Erfahrunge­n abwarten.

Das Modell besteht vereinfach­t aus bis zu drei Zeitkonten. In den ersten Topf kommen zusätzlich geleistete Arbeitsstu­nden während eines Durchrechn­ungszeitra­ums, der bis zu 52 Wochen betragen kann.

Das Zeitguthab­en darf bis zu 167 Stunden betragen, wobei ab der 61. Stunde ein Zuschlag von 10 Prozent, ab der 101. Stunde von 20 Prozent anfällt. Die Zuschläge werden jeweils am letzten Tag eines Monats gutgeschri­eben und kommen in einen eigenen zweiten Topf. Am Ende des vereinbart­en Durchrechn­ungszeitra­ums können bis zu 40 Stunden auf ein drittes Konto fließen, das der Absicherun­g dient. Es hat drei Jahre Durchrechn­ungszeitra­um, hier können sich bis zu 120 Minusstund­en sammeln.

Verbleiben­de nicht verbraucht­e Gutstunden aus Konto 1 werden am Ende der Durchrechn­ung zu Überstunde­n. Diese können wahlweise ausbezahlt (50 Prozent Zuschlag) oder als Zeitausgle­ich konsumiert werden, wofür dann 67 Prozent Zuschlag auf Konto 2 kommen.

Das Modell sieht bis zu neun Arbeitsstu­nden täglich und 45 Stunden pro Woche vor, mindestens aber 32 Wochenstun­den, ausgenomme­n Zeitausgle­ich. Voraussetz­ung ist die Zustimmung des Betriebsra­ts und eine Betriebsve­reinbarung.

„Der negative Zeitsaldo sichert Jobs.“

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BILD: SN/FOTOLIA
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Rainer Wimmer, Gewerkscha­ft ProGe

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