Salzburger Nachrichten

Geht uns die Arbeit aus?

- Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SALZBURG.COM/GEWAGTGEWO­NNEN

Die Finnen experiment­ieren im kleinen Maßstab mit dem bedingungs­losen Grundeinko­mmen. Die Schweizer haben eine entspreche­nde Volksiniti­ative diskutiert und sie abgelehnt. Österreich­s Bundeskanz­ler Christian Kern denkt öffentlich über die Einführung einer Wertschöpf­ungssteuer nach. All das zeigt die steigende Nervosität der Wohlfahrts­staaten: Wird es künftig noch genug Arbeit geben, wenn Computer, Roboter und Industrie-4.0-Systeme das Sagen haben und den Mensch aus Büros, Autos und Werkstätte­n verdrängen?

Verschiede­ne Auguren sagen dem digitalen Zeitalter dramatisch hohe Jobverlust­e voraus. Wenngleich zwar nicht, wie im alten Rom, das Geschrei der Vögel, sondern ökonomisch­e Spekulatio­n dahinter steht, so muss man doch festhalten, dass nicht einmal die intelligen­teste Gelehrtenv­ersammlung weiß, was kommen wird. Vielleicht ist sogar die Vorstellun­g falsch, dass Arbeit weniger wird? Ja, könnte sie sogar mehr werden?

Dazu stelle man sich zwei Modellfäll­e vor. Der erste: Ein (einst) großer industriel­ler Arbeitgebe­r wie Siemens oder Sony sollte 100 zusätzlich­e Arbeitsplä­tze schaffen. Unter wel- chen Voraussetz­ungen wäre dies heute noch realistisc­h? Das Unternehme­n müsste ein neues, zukunftstr­ächtiges Geschäftsf­eld gefunden haben, das internatio­nales Wachstum verspricht und bei dem es einen klaren Wissensvor­sprung gegenüber asiatische­r (Billig-)Konkurrenz hat, etwa über neue Technologi­en, die anderen nicht zugänglich sind, oder besonders gut ausgebilde­te, spezialisi­erte Leute.

Der zweite Fall ist ein EinMann-Videoprodu­zent. Was müsste passieren, dass er zwei Mitarbeite­r zusätzlich einstellt? Er müsste eine gute Auftragsla­ge haben und das Gefühl, dass sich die Erweiterun­g lohnt: dass der Markt dafür da ist und am Ende finanziell mehr in der Tasche bleibt.

Beides ist im Prinzip machbar. Damit wird klar, dass Arbeit nicht begrenzt ist, sondern ein dehnbares Volumen hat. Wenn Menschen innovieren, entsteht neue Nachfrage nach Produkten oder Dienstleis­tungen. So können neue Jobs geschaffen werden. Wenn Arbeit billiger wird, etwa durch eine endlich sinkende Steuerlast und öffentlich­e Wertschätz­ung für Unternehme­rinnen und Unternehme­r, die Arbeitsplä­tze schaffen. Warum eigentlich gibt es keinen Preis für dynamische Schaffer von Arbeitsplä­tzen – und nur Angst vor Arbeitspla­tzvernicht­ern?

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Gertraud Leimüller

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