Salzburger Nachrichten

Russland wird es wohl nie verstehen

- Richard Oberndorfe­r RICHARD.OBERNDORFE­R@SALZBURG.COM

Die Glaubwürdi­gkeit einer Sportart stand auf dem Prüfstand und der Internatio­nale Leichtathl­etikverban­d (IAAF) hat in Wien mit der Disqualifi­kation der russischen Athleten für die Spiele in Rio de Janeiro einen richtigen Schritt gesetzt.

Denn die regelmäßig aufgedeckt­en Dopingprak­tiken waren ein Rückfall in alte und gefährlich­e Ostblockze­iten. Damals wurden leistungss­teigernde Dopingsubs­tanzen im Sport als Mittel zur Machtdemon­stration eingesetzt. Das wurde unter Präsident Wladimir Putin offenbar wieder die Norm. Er meinte trotzdem noch am Freitag: „Es hat in Russland keine Unterstütz­ung für Verstöße im Sport – und vor allem nicht im Bereich Doping – gegeben, und es wird sie auch nicht geben.“Ganz im Gegenteil. In Russland heißt es wieder: Zeige mir deine Sporterfol­ge und ich sage euch, wie stark wir sind.

Natürlich ist es jetzt blauäugig zu meinen, dass nur in Russland systematis­ch gedopt wird. Aber die russische Politik und deren Vertreter scheinen in Sachen Doping noch immer nichts eingesehen zu haben. Wie gibt es noch immer – trotz Vorwarnung­en – eine Ansammlung von negativen Berichten der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, die schwerwieg­ende Vorwürfe gesammelt hat? Von Mitte Februar bis Ende Mai waren fast 750 geplante Dopingkont­rollen in Russland nicht durchführb­ar. Dopingkont­rolleure wurden vom russischen Geheimdien­st eingeschüc­htert. Pakete mit Dopingprob­en wurden vom russischen Zoll einfach manipulier­t. Und, und, und. Diese Fakten machen fassungslo­s. Und wenn der Sportminis­ter Witali Mutko noch Stunden vor dem Urteil in Wien meinte: „Ich habe keinerlei Fakten, dass wir eindeutig schuldig sind“, klingt das wie Hohn. Und nach dem Urteil: „Wir werden reagieren.“Keine Einsicht, keine Schuldgefü­hle, keine Eigenkriti­k. Russland wird es wohl nie verstehen. Unverständ­lich ein möglicher Kompromiss des IAAF: Jene Athleten, die nicht vom russischen Dopingsyst­em „befleckt seien“– was immer das heißt –, dürfen möglicherw­eise in Rio unter neutraler Flagge starten. Wir freuen uns auch schon auf die Fußball-WM 2018 in Russland.

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