Türkische Schulen protestieren gegen Regierung
Der Kampf gilt dem wachsenden religiösen und konservativen Einfluss der AKP.
ANKARA. Rund 370 Gymnasien in der Türkei haben ein Statement veröffentlicht, in dem sie vor „reaktionären Bestrebungen“und zunehmend religiös-konservativen Lehrplänen warnen. Diese, so heißt es in der von der Tageszeitung „Hürriyet“veröffentlichten Stellungnahme, würden den Laizismus und die Prinzipien des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk schrittweise abschaffen. Schon seit einigen Wochen lehnen sich in der Türkei Schüler von sogenannten Elitegymnasien gegen ihre Schulleitungen auf. Es sind staatliche Schulen aus dem ganzen Land, darunter viele aus der Provinz, aber auch renommierte Schulen aus Metropolen wie Ankara und Istanbul. Das österreichische Sankt-Georgs-Kolleg ist nicht dabei. Den Anfang machte das der Protestwelle deutsch-türkische Gymnasium in Istanbul. Anfang Juni bei der Abschlussfeier kehrten die Absolventen ihrem eine Rede haltenden Direktor den Rücken zu. Der Direktor hatte zuvor den deutschen Konsul ausgeladen, der traditionell am Tag der Zeugnisvergabe die Rede an die Schüler hält. Begründet wurde die Ausladung mit der kurz zuvor im Deutschen Bundestag angenommenen Resolution zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich.
Nach und nach schlossen sich immer mehr Gymnasien den Protesten an. Hintergrund der Auflehnung ist der wachsende Einfluss der islamisch-konservativen AKPRegierung auf das Bildungssystem.
Inzwischen bestimmt das Erziehungsministerium im Alleingang über die Besetzung der Schulleitungen und schickt auch an säkulare Gymnasien konservativ-religiöse Direktoren, die angeblich die Bildungsinhalte auf Regierungslinie bringen sollen. Der Unterricht, so lautet der Vorwurf, werde immer mehr mit religiösen und konservativen Inhalten durchsetzt. Staatliche Schulen würden in Nacht-und Nebel-Aktionen in Imam-HatipSchulen, also in religiöse Gymnasien, umgewandelt. Zudem, so berichten regierungskritische Medien regelmäßig, würden Fächer wie Sozialkunde und Philosophie unter dem Vorwand von Lehrermangel immer weiter reduziert, um Fächer, die zur Diskussion anregen, zurückzudrängen.
„Wir kämpfen für unsere Heimat und für unsere Zukunft“, so erklären die Schüler in der gemeinsamen Stellungnahme ihren Protest. Die Medien ziehen schon Parallelen mit den regierungskritischen Gezi-Protesten, die die Türkei im Sommer 2013 erschütterten.