Die Schönheit der Revolution
Theatermacher Pippo Delbono entzündet ein seltsam-schönes Feuerwerk.
Der Tod der Mutter kennzeichnet einen Riss im Leben des italienischen Regisseurs Pippo Delbono. Er filmt die sterbende Frau, ihren mageren Körper, die verkrampften Finger, während sie Augustinus zitiert und mit dessen Worten lächelnd der Vorstellung eines Paradieses entgegensieht. Delbono gewinnt dem vermeintlich Abscheulichen das Schöne ab, er zeigt die Kehrseite der Norm und liefert so eine groteske Bilderrevue mit dem Titel „Orchidee“.
Diese Blume – Sinnbild des Raren, der Anmut, Reinheit und Eleganz – steht bei Delbono zugleich für alles Gegenteilige. In seiner Inszenierung stellt er die klassizistische Formel der Einheit des Guten, Wahren und Schönen auf den Kopf und zeigt das Falsche, Scheußliche als das eigentlich Schöne.
Das gefällt nicht allen Zuschauern. Bei der Wiener Festwochenpremiere verließen einige die ohnehin nicht ausverkaufte Vorstellung. Tatsächlich sind Delbonos Kombinationen in höchstem Maße irritierend. So lässt er etwa einen Akteur mit Downsyndrom den Titelhelden aus Pietro Mascagnis Oper „Nerone“singen oder zeigt nackte, alternde Männer, die einander umarmen – Bilder, die an Francis Bacons verstörende Darstellungen des menschlichen Körpers erinnern.
Dazu passt auch die mythologische Figur namens „Orchidee“: Sie wird als erste Intersexuelle gezeigt, ist Mann und Frau zugleich, die in einer Welt der Normen keinen Platz hat. Orchidee bringt sich um, weil ihr/ihm die Zuordenbarkeit des Eindeutigen und Geläufigen fehlt.
Delbono recycelt Vorhandenes aus Musik, Literatur und bildender Kunst, seine Revolte gegen die Norm kulminiert, wenn er Bilder von ausgestopften Bestien mit den perfekten Gesichtern von Schaufensterpuppen konterkariert. Dazu schwillt akustisch Deep Purples „Child in Time“an, der bekannte Protestsong, der den Grat zwischen Gut und Böse markiert. Delbono springt dabei selbst auf die Bühne und schreit mit Ian Gillan ekstatisch gegen die Vorstellungen von künstlicher Perfektion an.
Ihn interessiert das Dazwischen, das Scheitern, zugleich auch Konzept dieser wirr-berührenden Revue, deren Ideen geradezu überborden, vor allem wenn Delbono allzu sehr Autobiografisches mit Allgemeinem vermischt. Neben dem Tod der Mutter ist dies die eigene Homosexualität oder auch sein Widerstandsgeist, den er mit dem Worten des französischen Revolutionärs Jean Paul Marat: „Wir haben die Revolution satt!“, anspricht. Von vornherein kokettiert Delbono mit dem Scheitern seiner Unternehmung und es scheint fast so, als würde genau darin ihre Kraft liegen. Theater: