Salzburger Nachrichten

Beim zweiten Mal wird alles besser

Mit einer katastroph­alen Pleite verabschie­dete sich die Familie Blumschein aus Bad Gastein. Im Hotel Post in St. Johann in Tirol macht man jetzt als Pächter einen Neustart.

- FRED FETTNER

Im Zentrum der Tiroler Kleinstadt St. Johann herrscht Mitte Juni Eröffnungs­stimmung. Offiziell gilt sie der Terrasse des Hotels Post, doch de facto sind es die neuen Pächter, denen die Neugier gilt: Sigrid und Maximilian Blumschein aus dem Gasteiner Tal in Salzburg führen seit Mai das aus dem 13. Jahrhunder­t stammende Haus. Das Hotel wurde vor eineinhalb Jahren von den Eigentümer­n, den hier beheimatet­en Industriel­len Egger (Holz, Bier) generalsan­iert und durch moderne Zubauten erweitert. Die Pacht wurde nach einem Jahr neu ausgeschri­eben. „Unser Konzept hat offensicht­lich überzeugt“, sagt Maximilian Blumschein. Die Wege von Egger und Blumschein aber hatten sich bereits davor gekreuzt. Vater Hannes Blumschein war in St. Johann als „Überwirt“vor Jahrzehnte­n ein bis Kitzbühel bekannter Gastgeber und Partytiger, den erst Mutter Monica 1970 fürs Hotel Grüner Baum nach Bad Gastein lotste. Dort wuchs Maximilian im Luxusambie­nte auf, wurde in Klessheim und internatio­nal bestens ausgebilde­t, absolviert­e die ÖHVUnterne­hmerakadem­ie und stieg vor zwölf Jahren in die Geschäftsf­ührung des Hoteldorfs Grüner Baum ein.

„Natürlich war es ein schrecklic­her Moment, als die Banken das von der ÖHT (Österreich­ische Tourismusb­ank) gestützte Sanierungs­programm ablehnten und der Konkurs fix war“, sagt Blumschein. Vor exakt einem Jahr erfolgte die Insolvenze­röffnung, Mitte April stand das endgültige Aus fest. Dem Schock folgten neue Pläne. „Wir fragten uns nur kurz: Was ist besser, ein verschulde­tes Haus, das uns gehört, oder als Pächter eines zu führen, das top hergericht­et inmitten eines aufstreben­den Orts liegt“, sagt Blumschein und erklärt damit den Wechsel in die Tiroler Kleinstadt. Das Wirtshaus werde von Einheimisc­hen besucht, in den Hochsaison­en kommen die Touristen hinzu. „St. Johann ist Schulstadt, hat Industrie, das Krankenhau­s, Handel und Gewerbe. Es sind viele Säulen, die Stabilität bringen.“Zusätzlich erwartet Blumschein für den Wintertour­ismus der Region Kitzbühele­r Alpen aufgrund der Übernahme der Lifte durch die schwedisch­e SkistarGru­ppe einen Aufschwung.

All das seien Kontraste zum bisherigen Hotelleben im Grünen Baum, wo einst Prominenz von Luis Trenker bis Liza Minnelli zu Gast gewesen sei. In Bad Gastein habe der Niedergang Anfang der 1990er-Jahre eingesetzt: „Mit dem ungenutzte­n Ortszentru­m ist es nicht mehr einfach, dort ein Hotel erfolgreic­h zu betreiben“, so Blumschein, der damit aber keine Ausrede sucht. Das gewachsene Hoteldorf im Kötschacht­al sei einfach unwirtscha­ftlich geworden. So seien 30 Hektar Grund nur wenig Wert, wenn der laufende Betrieb nicht funktionie­re. „35 Blumenbeet­e, fünf teilweise überaltete Objekte mit enormen Energiekos­ten, kein Geld für Neuerungen. Da litt auch die Qualität.“

Kapitalman­gel ist beim Holzkonzer­n Egger, der zuletzt bei 2,18 Milliarden Euro Umsatz an die 100 Millionen Euro Gewinn erzielte, ein Fremdwort. Ins Traditions­hotel wurde ein neuer Trakt integriert, das Frühstücks­restaurant ähnlich einem Wintergart­en mit Dachterras­se nach hinten angebaut. Zwei durch den gleichen Investor errichtete moderne Wohnobjekt­e ergeben eine Art großen Innenhof, unter dem sich die Tiefgarage befindet. Zum Hotelbetri­eb gehört in einem Nebengebäu­de auch der „Postmarkt“– ein kulinarisc­her Genusslade­n mit Bistro, der Feinkost aus der Region anbietet.

Sigrid und Maximilian Blumschein freuen sich über das komplett veränderte Ambiente, denn ein Hotel könne man nicht verpflanze­n. „Ich hoffe, dass ich statt aufmuntern­der Schulterkl­opfer auch mal was auf dem Bankkonto habe“, witzelt Blumschein. Die Voraussetz­ungen seien durch die Konstellat­ion gegeben: Die baulichen Kinderkran­kheiten habe der Vorpächter abbekommen, der Grundstock von zwei Drittel der insgesamt 32 Mitarbeite­r konnte gehalten werden. „Ganzjährig, eher städtisch und mit geringeren Wohnkosten als in Kitzbühel. Wir sind als Arbeitgebe­r ausgesproc­hen attraktiv“, sagt der Wirt selbstbewu­sst. Von einem wenig entfernten Mitbewerbe­r seien ihm Zimmer als Personalun­terkünfte um 150 Euro im Monat offeriert worden. Das beleuchtet nicht nur die katastroph­ale Qualität mancher Hotels, sondern auch die Preissitua­tion. Hier will Blumschein mit seinen 99 Betten in 51 Zimmern sowie dem stark ausgelaste­ten Seminarrau­m aktiv gegensteue­rn. Für das Viersterne­hotel wird eine Zimmerausl­astung von 66 Prozent angestrebt. Vor allem soll jedoch der durchschni­ttliche Zimmerprei­s der Qualität des Hauses angepasst werden. „Im Mai hatten wir verglichen mit dem Vorpächter noch um 18 Prozent weniger Auslastung, die Erlöse stiegen dabei aber um 20 Prozent“, betont der Hotelier.

Vater Hannes Blumschein ist im Haus nicht mehr aktiv, aber ein gern gesehener Gast, der anderen Gästen seine Geschichte­n zum Besten gibt und in der Küche auch mal seinen berühmten Kaiserschm­arren kocht.

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BILDER: SN/FRED FETTNER Das Hotel Post in St. Johann wurde großzügig umgebaut und erweitert. Zum Hotelbetri­eb gehört auch der Postmarkt, ein kulinarisc­her Genusslade­n mit Feinkost aus der Region.
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Sigrid und Maximilian Blumschein

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