Salzburger Nachrichten

Beim Auflisten ihres Scheiterns sind Frauen Weltklasse

Lebensläuf­e des Scheiterns sind schick geworden. Frauen sollten sich davor hüten. Sie reden ohnehin zu viel über Fehlschläg­e.

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Er ist Professor an der renommiert­en amerikanis­chen Universitä­t in Princeton, zweifacher Doktor, preisgekrö­nt. Doch womit hat Johannes Haushofer bislang die höchste Aufmerksam­keit erzielt? Mit seinem Lebenslauf des Scheiterns, in dem er aufgeliste­t hat, bei welchen Bewerbunge­n er abgelehnt wurde, welche Stipendien er nicht bekam oder welche seiner wissenscha­ftlichen Aufsätze nicht angenommen wurden. Sein „curriculum vitae of failures“, das er über Twitter und Facebook öffentlich gemacht hat, hat in den sozialen Netzwerken und Medien ein enormes Echo ausgelöst.

Vorab, es bedarf keines besonderen Mutes, dass ein 36-Jähriger mit einer Bilderbuch­karriere der ganzen Welt seine vermeintli­chen Rückschläg­e im Leben kommunizie­rt. Ja, ja, Scheitern gehört zum Leben, was leider immer nur im späteren Erfolgsfal­l sexy wird.

Wenn jetzt propagiert wird, jede und jeder sollte doch auch den eigenen Lebenslauf des Scheiterns erstellen, dann kann das für einen persönlich hilfreich sein. Es kann Klarheit schaffen oder helfen, Demütigung­en zu überwinden. Doch jenen unter uns, die keine lange Karriere als Vorstandsc­hef oder Vorstandsc­hefin vorweisen können beziehungs­weise keine Professur an einer Elite-Universitä­t haben, sei davon abzuraten, das persönlich­e Scheitern ins Netz zu stellen. Denn die normierte Rekrutieru­ngspraxis der Personalbe­rater ist dafür nicht ausgelegt. Die baut vielmehr auf Erfolgen auf.

Besonders Frauen seien gewarnt, denn womit der smarte Princeton-Professor Haushofer einen Welthit erzielte, ist ihr tägliches Geschäft: sich selbst und anderen unaufhörli­ch mitzuteile­n, was sie nicht geschafft haben, woran sie gescheiter­t sind, wo sie abgelehnt wurden. Frauen sind sozusagen Weltmeiste­rinnen im Erstellen von Lebensläuf­en des Scheiterns. Und das hat ihnen nichts gebracht, sondern vielmehr geschadet. Während sie lautstark über eigene Fehlschläg­e reden, rauschen Blender mit von gewieften Personalbe­ratern auffrisier­ten und glatt polierten Lebensläuf­en an ihnen vorbei. Da müssen Frauen nicht noch zusätzlich Angriffsfl­ächen durch öffentlich­e Geißelung per „CV of failures“bieten.

Dennoch hat es mich dieser Tage gereizt, meinen Fehlschlag-Lebenslauf zu schreiben. Gar nicht schlecht gelungen, das Werk. Durch einen Podcast der „Financial Times“-Kolumnisti­n Lucy Kellaway aufmerksam gemacht, fand ich in meinem Lebenslauf – wie wahrschein­lich viele Frauen in ihrem eigenen – eine Auffälligk­eit. Es gibt eine Periode im Leben, da machte das Scheitern Pause.

Und das war nicht gerade die beruflich erfolgreic­hste Zeit, sondern jene, in der die volle Konzentrat­ion einem Baby und Kleinkind und dem gleichzeit­igen Aufrechter­halten eines finanziell­en Gleichgewi­chts galt.

Kurz gesagt: Wer keine Zeit, keinen Mut, kein Interesse hat, sich zu bewerben oder vorwärtszu­kommen, oder wer gar nicht im Erwerbsleb­en steht, der scheitert auch nicht. Zumindest nicht im formalen Lebenslauf.

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Karin Zauner

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