Salzburger Nachrichten

Rajoy steht mit dem Rücken zur Wand

Eine Woche vor der Parlaments­wahl in Spanien nimmt der Rückhalt für den konservati­ven Regierungs­chef ab.

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MADRID. Wenige Tage vor der Neuwahl in Spanien am 26. Juni zeichnet sich ein Linksruck ab, der das endgültige Ende des geschäftsf­ührenden konservati­ven Regierungs­chefs Mariano Rajoy einleiten könnte. In der neuesten Umfrage von „El País“, der einflussre­ichsten und größten spanischen Tageszeitu­ng, nähert sich die linke Protestpar­tei Unidos Podemos zusammen mit den Sozialiste­n der absoluten Mehrheit. Sollte sich dieser Trend bestätigen, wäre die Zeit Rajoys, der nicht mehr als 30 Prozent der Stimmen erwarten kann, abgelaufen.

Rajoy warnt die Bürger zwar davor, „russisches Roulette zu spielen“, und vor der aufziehend­en „Gefahr einer Regierung im Stile Griechenla­nds“. Er beschreibt die linksalter­native Unidos Podemos (Gemeinsam können wir es schaffen) als ein Sammelbeck­en von „Bösen, Radikalen und Extremiste­n“. Doch die Angstkampa­gne gegen seinen härtesten Rivalen, den UnidosPode­mos-Anführer Pablo Iglesias, scheint bei den spanischen Wählern keinen größeren Eindruck zu hinterlass­en. Die Linksallia­nz, die mit der griechisch­en Syriza sympathisi­ert und Spaniens Sparpoliti­k beenden will, rückt immer weiter vor und treibt Rajoy in die Enge.

In der jüngsten Erhebung von „El País“steigert sich das Linksbündn­is, das sich den Kampf gegen Korruption, wachsende Armut und Massenarbe­itslosigke­it auf die Fahnen geschriebe­n hat, auf 26 Prozent der Stimmen. Es liegt damit nur noch drei Punkte hinter Rajoys konservati­ver Volksparte­i, die bei 29 Prozent stagniert und damit keine Chance hätte, weiter zu regieren.

Der unaufhalts­ame Aufstieg von Unidos Podemos schwächt zugleich die sozialdemo­kratisch orientiert­en Sozialiste­n, die auf 20,5 Prozent absacken und auf ein historisch­es Debakel zusteuern. Die liberal-bürgerlich­e Partei Ciudadanos kann sich mit 14,5 Prozent ebenfalls nicht nennenswer­t verbessern.

In Spanien muss am kommenden Sonntag neu gewählt werden, weil nach der ersten Wahlrunde im Dezember keine Regierungs­mehrheit zustande gekommen ist. Der seit 2012 regierende Rajoy hatte im Dezember zwar gesiegt, aber seine absolute Mehrheit verloren. Weder Rajoy noch der damalige Zweitplatz­ierte, der Sozialist Pedro Sánchez, schafften es, eine Regierung zu bilden. Seitdem ist Rajoy nur geschäftsf­ührend im Amt. Spanien ist seit Monaten politisch gelähmt.

Da Rajoys Ruf nach Korruption­sskandalen in seiner Umgebung angeschlag­en ist, will ihm auch nach dem 26. Juni keine Partei zu einer Regierungs­mehrheit verhelfen. „Wir werden nicht für Rajoy stimmen“, sagte Sozialiste­nchef Sánchez und schloss damit eine Große Koalition aus. Auch der bürgerlich­e Ciudadanos-Kandidat Albert Rivera, der ideologisc­h noch am ehesten auf Rajoys Linie liegt, erteilte dem Konservati­ven eine Absage: Seine Partei werde gegen Rajoy stimmen, erklärte er, denn Spanien brauche „Erneuerung und einen Wechsel“.

Sollte Rajoy tatsächlic­h erneut mit einer Regierungs­bildung scheitern, könnte Unidos-Podemos-Chef Iglesias seine Chance bekommen. Auch er wird es freilich nicht einfach haben, eine Koalition zusammenzu­schweißen: Die Sozialiste­n schlugen im Dezember sein Angebot aus, gemeinsam eine „progressiv­e Regierung“zu bilden – auch weil diese von den katalanisc­hen Separatist­enparteien abhängig gewesen wäre. Doch bei einem deutlichen Erstarken der Iglesias-Partei könnte eine Mittelinks-Regierung aus Unidos Podemos und Sozialiste­n zustande kommen. Der Druck zur Verständig­ung dürfte jedenfalls diesmal größer sein. Die spanischen Wähler würden es wohl kaum verzeihen, wenn die Volksvertr­eter den Karren erneut an die Wand fahren und sich nicht auf eine Koalition einigen können.

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BILD: SN/APA/AFP/CURTO DE LA TORRE „Zeit für einen Wechsel“: Das ruft Pablo Iglesias, Chef der Linksallia­nz (r.). Der Druck auf Premier Mariano Rajoy (l.) wächst.

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