Salzburger Nachrichten

Als die Wüstensöhn­e auf der Schulbank schwitzten

Wissen ist Macht: Im Papyrusmus­eum erfährt man, wie vor 2500 Jahren im alten Ägypten das Bildungssy­stem funktionie­rte.

- Hieroglyph­en und Alphabete – 2500 Jahre Unterricht im alten Ägypten. Papyrusmus­eum der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek, bis 8. Jänner 2017.

Es gibt schon einige Sachen, warum man sich an die eigene Schulzeit mit einem gewissen Gruseln erinnert. Matura geschafft? Schon, bloß wie? Was genau wollten die eigentlich in der Mathematik­prüfung wissen? Und überhaupt, Latein, oder Altgriechi­sch? Da beruhigt es fast, dass schon in der Spätantike Schüler Probleme mit dem Griechisch­en hatten. Und zu bewundern ist, dass es heutzutage Experten gibt, die in uralten Papyri lesen können und sogar Fehler entdecken. Das Papyrusmus­eum der Nationalbi­bliothek ist trotz der für Laien nahezu unzugängli­chen Spezialsam­mlung schon dank der Aura der antiken Hinterlass­enschaften immer wieder einen Besuch wert. Auf über 70 Exponaten aus Papyrus, Pergament, Papier, aber auch Ton stellte Museumsdir­ektor Bernhard Palme einen Überblick zusammen, was damals „im alten Ägypten“aus Schülern eine Elite machen sollte. Denn nachdem so eine Ausbildung kostspieli­g war, blieb das Erlernen der Schriftkul­tur den höheren Schichten vorbehalte­n. „Unter den Schriftstü­cken des Altertums bestechen die zahlreiche­n Schulübung­en durch ihre Aussagekra­ft“, sagt Palme. Zum Beispiel das ausgestell­te Diktat der Erzählung vom Vatermörde­r – welche übrigens über mehrere Jahrhunder­te hinweg als Diktat oder Abschreibü­bung zur Schulung in Rechtschre­ibung verwendet wurde. Der Schüler war jedenfalls kreativ und machte oben und unten eine Zierleiste, dagegen scheint er mit dem Griechisch­en nicht so ganz vertraut gewesen zu sein, denn der Text enthält zahlreiche orthografi­sche Fehler – sagen die Experten.

Die Exponate umfassen einen Zeitraum von der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausen­ds vor Christus bis hin zum arabischen Frühmittel­alter um 700. Erstaunlic­h ist, dass Ägypten da ein vielsprach­iges Land war, denn sowohl im gesprochen­en als auch schriftlic­hem Bereich war Arabisch oder Ägyptisch und Griechisch in Gebrauch. Besonders die Hieroglyph­enschrift scheint „Auserwählt­en“vorbehalte­n zu sein, was laut Palme machtpolit­ische Hintergrün­de sein mussten. „Einerseits war die Hieroglyph­enschrift sehr schwierig, anderersei­ts wurde der Zugang vielleicht mit Absicht reguliert. So entstand ein Machtmonop­ol. Die Verbreitun­g der Schriftlic­hkeit ging letztlich mit einer Demokratis­ierung einher.“Für die herrschend­e Klasse war die Schulung vor allem Übung für künftige Aufgaben, wie Palme sagt, denn es gehörte auch das Verfassen und Präsentier­en von Reden dazu. Eigentlich ist es ein Glück, solche Hinterlass­enschaften schulische­r Ausbildung zu haben, denn zumeist fand der Unterricht mündlich statt. Der Vorgang des Erlernens war wohl ähnlich wie heute, erst kam das Alphabet, dann die Verbindung der Buchstaben zu Silben. Allerdings gab es keine Worttrennu­ng oder Satzzeiche­n, man schrieb „in einer Wurst“.

Ähnlich war der Prozess in der Mathematik, wo die Geometrie einen wichtigen Platz einnahm. Das gab den Landvermes­sern ein wichtiges Werkzeug in die Hand. Auch versierte Schreiber übten, wie etwa ein Papyrusbla­tt zeigt, auf dem ein Kanzleisch­reiber den „herakleopo­litanische­n Schreibsti­l“übt. Schulzeugn­isse wurden bisher übrigens keine gefunden. Ausstellun­g:

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BILD: SN/ÖNB Wer findet die Fehler? Diktat der Erzählung vom Vatermörde­r. Griechisch, 7./8. Jahrhunder­t.

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