Salzburger Nachrichten

Wenn günstige Pauschalre­isen gar nicht günstig werden

Veranstalt­er von Pauschalre­isen haben Schutzpfli­chten, wenn Reisende auf „Ausflügen“zu Einkäufen gedrängt werden.

- Katrin Isabella Speigner ist Rechtsanwä­ltin in Salzburg.

Eine österreich­ische Konsumenti­n buchte bei einem inländisch­en Reiseanbie­ter eine vermeintli­ch günstige Pauschalre­ise in die Türkei. Während dieser Reise wurden vom Reiseveran­stalter „Ausflüge“organisier­t, die meist in Teppich- und Schmuckfab­riken endeten. Am Ziel angekommen, wurden Produkte vorgeführt. Der türkische Reiseleite­r wies ausdrückli­ch auf die Seriosität der Händler hin.

Den Reisenden wurde vermittelt, dass der Erwerb dieser einzigarti­gen Produkte eine gute Wertanlage sei. Daraufhin wurden die Reisenden getrennt und jeweils von einem Mitarbeite­r der Händler „massiv bearbeitet“. Die Konsumenti­n ließ sich schließlic­h dazu drängen, Teppiche und Schmuck für rund 30.000 Euro zu erwerben. Auf diesen Kaufpreis leistete sie sofort eine Anzahlung. Den Schmuck nahm sie gleich mit, die Teppiche sollten nach Österreich geliefert werden. Die Verträge waren in deutscher und englischer Sprache verfasst und enthielten keinerlei Hinweis auf ein Rücktritts­recht des Käufers. Es wurde allerdings ausdrückli­ch vereinbart, dass die Verträge türkischem Recht unterliege­n.

In Österreich angekommen, wurde die Konsumenti­n regelmäßig telefonisc­h aufgeforde­rt, den Rest des Kaufpreise­s zu überweisen. Sogar mit der Einschaltu­ng eines Anwalts wurde gedroht. Die Teppiche wurden allerdings nie geliefert. Schließlic­h schöpfte sie Verdacht und ließ die Wertgegens­tände schätzen. Die Schätzung ergab zum großen Entsetzen, dass der Schmuck nicht einmal die Hälfte des Kaufpreise­s wert war. Die Konsumenti­n wollte nun vom Kaufvertra­g zurücktret­en.

Bei diesem Sachverhal­t ist ein Vertragsrü­cktritt möglich, weil die Konsumenti­n überrumpel­t und hinsichtli­ch des Wertes der gekauften Gegenständ­e getäuscht wurde. Dabei ist zu beachten, dass auf Verträge zwischen Unternehme­n und Konsumente­n grundsätzl­ich das Recht jenes Staates anzuwenden ist, in dem der Konsument seinen gewöhnlich­en Aufenthalt hat.

Im vorliegend­en Fall handelte es sich um ein sogenannte­s Haustürges­chäft. Dabei schließt ein Konsument einen Vertrag an einem Ort ab, den der Unternehme­r nicht dauernd als Geschäftsr­aum nutzt. Bei Abschluss eines solchen Vertrags ist eine Rücktritts­frist von zwei Wochen vorgesehen, weil der Konsument vor Überrumpel­ung durch den Unternehme­r geschützt werden soll. Klärt der Unternehme­r den Konsumente­n über die Rücktritts­frist nicht auf, bleibt dieses ewig aufrecht. Sowohl nach österreich­ischem als auch nach türkischem Recht ist es nicht zulässig, während dieser Rücktritts­frist Anzahlunge­n zu fordern.

Der Vertrag über die Schmuckstü­cke konnte auch rückabgewi­ckelt werden, weil diese nicht einmal 50 Prozent des Verkaufswe­rtes erreichten. Die Schmuck- und Teppichhän­dler weigerten sich zunächst, den jeweiligen Vertragsrü­cktritt anzuerkenn­en und die Anzahlung rückzuüber­weisen, weswegen der österreich­ische Reiseveran­stalter aufgeforde­rt wurde, den der Konsumenti­n entstanden­en Schaden zu ersetzen. Den Pauschalre­iseveranst­alter treffen aufgrund des Pauschalre­isevertrag­s Schutz- und Sorgfaltsp­flichten gegenüber dem Vertragspa­rtner.

Das Aufforderu­ngsschreib­en an den Reiseveran­stalter bewirkte erfreulich­erweise, dass der türkische Händler die Forderunge­n der Konsumenti­n zur Gänze anerkannte und die geleistete Anzahlung rückerstat­tete. Auch mit dem Schmuckhän­dler konnte eine Einigung erzielt werden; die Dame behielt Schmuck im Wert der Höhe der Anzahlung und schickte den Rest in die Türkei zurück.

Newspapers in German

Newspapers from Austria