Spott und Häme für Ronaldo, den man so noch nicht kannte
Entweder man verehrt ihn als Genie oder man verachtet ihn als Selbstdarsteller. Dazwischen lässt Cristiano Ronaldo der öffentlichen Beurteilung wenig Spielraum. Am Samstag aber, just im für Österreich vorentscheidenden Spiel, war (zum Glück) alles anders: 93 Minuten lang kein Genie, nur Wahnsinn. Nach dem Schlusspfiff keine Selbstinszenierung, sondern der Superstar zum Anfassen.
Ronaldo hat wieder einmal ein Match entschieden. Nur diesmal eben nicht für seine Mannschaft. Ein „Schönheitsfehler“, der den Portugiesen im wahrsten Wortsinn mehr wurmt als jeden anderen. „Ronaldo ist verflucht“, glaubt etwa die französische Zeitung „Le Parisien“, nachdem Ronaldo schon fast unglaubliche fünf vergebene Chancen mit einem Elfmeter an die Stange noch getoppt hatte. Fußball-Österreich wurde verschont vom Oben-ohne-Torjubel, der gleichzeitig das EM-Aus bedeutet hätte. Stattdessen durfte man nur Ronaldos ungläubige, den Tränen nahe Blicke bewundern.
An seiner Enttäuschung ließ der dreifache Weltfußballer auch weit nach Mitternacht noch die Welt teilhaben, als er ein Foto mit gesenktem Kopf und dem Wort „Traurig (...)“in den sozialen Netzwerken postete. Die hämischen Schlagzeilen waren da bereits weltweit online und gedruckt. „CRNull“, titelte etwa „Globo“in Brasilien in Anspielung auf seine Marke CR7. Portugals „Record“stellte nur ein einziges Wort über ein Foto seines Superstars von der traurigen Gestalt: „Gescheitert!“
Der „Verlierer des Abends“zeigt also doch menschliche Züge. Und zwar auch in anderer Hinsicht: Ein Fan hatte es 100 Meter quer über den Rasen bis zu seinem Idol geschafft. Als Sicherheitskräfte einschreiten wollten, bat der Real-MadridStar die Ordner aber selbst um Geduld für den Mann, dessen Handy just im wichtigsten Moment streikte. Mehr als eine Minute hatte es gedauert, bis der „Flitzer“das Selfie im Kasten hatte. Als es so weit war, ließ er sich überglücklich abführen.
Ronaldo zeigte Größe in der Niederlage. Ein Bild, das die Öffentlichkeit nicht gekannt hatte. Noch vor wenigen Tagen hatte er einem Isländer nach dem 1:1 den Trikottausch verweigert und danach weniger nette Worte über die Gegner gefunden. Aber ist Ronaldo überhaupt der Arrogante und Unnahbare? Sein Teamkollege Vieirinha widerspricht diesem Bild ganz klar: „Er ist ein völlig anderer Typ als der, den die Presse zeichnet.“