Bei der Präsidentschaftswahl gab es massive Regelverstöße
Protokolle ungelesen unterschrieben, Briefwahlkuverts zu früh geöffnet, Stimmen ohne Wahlbeisitzer ausgezählt: Der Verfassungsgerichtshof steht vor langen Verhandlungen.
Die Hofburg-Stichwahl am 22. Mai war von einem erstaunlich lockeren Umgang der Wahlbehörden mit den gesetzlichen Wahlvorschriften geprägt. Das stellte sich am Montag, dem ersten Tag der öffentlichen Zeugeneinvernahme vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH), heraus. Die Befragungen können nicht, wie vorgesehen, in dieser Woche abgeschlossen werden, der VfGH muss Zusatztermine in der kommenden Woche einschieben. In einem Bezirk beispielsweise wurden Briefwahlkarten bereits am Wahlabend auf ihre Gültigkeit überprüft und teils die Stimmkuverts herausgenommen. Die Auszählung erfolgte, wie im Gesetz vorgesehen, ab Montag um neun Uhr – freilich nicht in Anwesenheit der Beisitzer, deren Aufgabe es ist, die Rechtmäßigkeit der Zählung zu protokollieren. Mehrere als Zeugen geladene Beisitzer gaben an, die Wahlprotokolle unterschrieben zu haben, ohne sie vorher zu lesen. Eine Beisitzerin sagte, sie habe die vorzeitige Auszählung der Briefwahlstimmen in einem Aktenvermerk festhalten lassen wollen, sei mit diesem Begehr aber abgeblitzt. Ein Bezirkshauptmann rechtfertigte sich damit, dass eine Auszählung streng nach Gesetz – inklusive Prüfung und Öffnung der Briefwahlkuverts durch den Wahlleiter persönlich ab Montag, 9.00 Uhr – zu lang gedauert hätte, um das Ergebnis zeitgerecht bis Montag, 17.00 Uhr zu liefern.