Ein schwuler Politiker. Na und?
Den demokratischen Reifegrad einer Gesellschaft erkennt man auch an den Dingen, die in dieser Gesellschaft Erregung auslösen. Oder auch: nicht auslösen. Österreich hat sich in diesen Tagen erfreulicherweise als ziemlich reife Demokratie erwiesen. Da outete sich der ab 1. Juli amtierende Bundesratsvorsitzende, der dem neuen Bundespräsidenten am 8. Juli den Amtseid abnehmen wird (oder auch nicht), als schwul. Erregungspegel in der Öffentlichkeit: bei null. Da trat Bundeskanzler Christian Kern als erster Regierungschef als Redner bei der Regenbogenparade auf. Erregungspegel in der Öffentlichkeit: bei null. Noch vor wenigen Jahren hätte eines dieser beiden Ereignisse gereicht, um flächendeckende Empörung bei jenen auszulösen, die den anderen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben. Dass dies heute nicht mehr so ist, stellt Österreich ein gutes Zeugnis aus. Und wird der Regierung hoffentlich den Mut geben, die letzten rechtlichen Diskriminierungen für Schwule und Lesben zu beseitigen. Eine Demokratie ist immer nur so stark, wie es die Rechte der in dieser Demokratie lebenden Minderheiten sind.