Matteo Renzi muss sich warm anziehen
Der Erneuerer ist zum Vertreter eines ungeliebten Systems geworden.
In der Regel darf man Kommunalwahlen nicht wie eine Umfrage auf nationale Wahlen hochrechnen. Doch genau das drängt sich angesichts der Ergebnisse bei den italienischen Bürgermeisterwahlen auf. Beim sozialdemokratischen Premier Matteo Renzi muss höchste Alarmstufe gelten. Er hat den Mund viel zu voll genommen, überhöhte Erwartungen enttäuscht, bislang nur einen Bruchteil der angekündigten Reformen verwirklicht und seine Gegner – mehr noch die innerparteilichen als die in der Opposition – nicht ernst genommen oder gar verunglimpft. Sein Projekt, die Berlusconi-Wähler zu gewinnen und dafür seine eigene Partei PD nach Mitte-rechts zu erweitern, war erfolglos. Das alles schlägt jetzt zurück – in einer Zeit, in der sich in etlichen Ländern der Verdruss über herkömmliche Politik und Parteien in krass unterschiedli- chen Richtungen organisiert. Viele Wähler wollen Veränderung und Neuigkeit. Das hatte sich erst Renzi zunutze gemacht, nun aber ist der Neuigkeitswert verschwunden. Als Erneuerer treten nun Beppe Grillos Anhänger auf. Dass die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) autoritär gelenkt wird, keine demokratischen Strukturen hat und opportunistisch nach rechts offen ist, interessiert viele Wähler gar nicht. Sie wollen nur mit Rechts oder Links nichts mehr zu tun haben. Dass M5S auf eine Regierungsmehrheit zusteuern könnte, ist nicht auszuschließen. Zunächst aber scheint das Referendum über das zentrale und wichtige Projekt einer Verfassungsreform im Oktober gefährdet. Wenn Renzi keinen Neustart schafft, könnte der als „Verschrotter“(Rottamatore) von Älteren und Altem Angetretene selbst zum „Verschrotteten“werden.