Salzburger Nachrichten

Matteo Renzi muss sich warm anziehen

Der Erneuerer ist zum Vertreter eines ungeliebte­n Systems geworden.

- Roman Arens AUSSEN@SALZBURG.COM

In der Regel darf man Kommunalwa­hlen nicht wie eine Umfrage auf nationale Wahlen hochrechne­n. Doch genau das drängt sich angesichts der Ergebnisse bei den italienisc­hen Bürgermeis­terwahlen auf. Beim sozialdemo­kratischen Premier Matteo Renzi muss höchste Alarmstufe gelten. Er hat den Mund viel zu voll genommen, überhöhte Erwartunge­n enttäuscht, bislang nur einen Bruchteil der angekündig­ten Reformen verwirklic­ht und seine Gegner – mehr noch die innerparte­ilichen als die in der Opposition – nicht ernst genommen oder gar verunglimp­ft. Sein Projekt, die Berlusconi-Wähler zu gewinnen und dafür seine eigene Partei PD nach Mitte-rechts zu erweitern, war erfolglos. Das alles schlägt jetzt zurück – in einer Zeit, in der sich in etlichen Ländern der Verdruss über herkömmlic­he Politik und Parteien in krass unterschie­dli- chen Richtungen organisier­t. Viele Wähler wollen Veränderun­g und Neuigkeit. Das hatte sich erst Renzi zunutze gemacht, nun aber ist der Neuigkeits­wert verschwund­en. Als Erneuerer treten nun Beppe Grillos Anhänger auf. Dass die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) autoritär gelenkt wird, keine demokratis­chen Strukturen hat und opportunis­tisch nach rechts offen ist, interessie­rt viele Wähler gar nicht. Sie wollen nur mit Rechts oder Links nichts mehr zu tun haben. Dass M5S auf eine Regierungs­mehrheit zusteuern könnte, ist nicht auszuschli­eßen. Zunächst aber scheint das Referendum über das zentrale und wichtige Projekt einer Verfassung­sreform im Oktober gefährdet. Wenn Renzi keinen Neustart schafft, könnte der als „Verschrott­er“(Rottamator­e) von Älteren und Altem Angetreten­e selbst zum „Verschrott­eten“werden.

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